Der Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse wurde bei der Eherechtsreform im Jahr 1977 aus dem früheren § 58 EheG übernommen. Er beinhaltet nach dem seinerzeitigen Leitbild der Hausfrauenehe eine Lebensstandardgarantie. Der leistungsstärkere Ehegatte wurde zur Gewährung eines unter Umständen lebenslangen angemessenen Unterhalts an den anderen Ehegatten verpflichtet. Seit dem Jahr 2001 hat der BGH seine Rechtsprechung zu den ehelichen Lebensverhältnissen einschneidend geändert und den veränderten gesellschaftlichen Verhältnissen angepasst. Seit der Entscheidung des BGH vom 13.6.2001[2] wird die gleichwertige Haushaltstätigkeit in den ehelichen Lebenszuschnitt einbezogen. In der Folgezeit hat der BGH diese Rechtsprechung weiter entwickelt und entschieden, dass es keine sich unverändert fortschreibenden Lebensstandardgarantie mehr gibt und deshalb die ehelichen Lebensverhältnisse keine feste Größe bilden, sondern entsprechend den tatsächlichen Gegebenheiten nach oben und unten veränderbar sind.[3] Die ehelichen Lebensverhältnisse nach Trennung/Scheidung passen sich dauerhaft den veränderten Verhältnissen an.

Die ehelichen Lebensverhältnisse umfassen sämtliche Faktoren, die während der Ehe nicht nur vorübergehend für den Lebenszuschnitt der Ehegatten von Bedeutung waren. Es muss sich um Mittel handeln, die nicht nur dem allgemeinen Lebensbedarf zur Verfügung standen, sondern auch nachhaltig erzielt wurden. Die ehelichen Lebensverhältnisse umfassen zum einen die den Lebensstandard bestimmenden wirtschaftlichen Verhältnisse, mithin Einkommen und Vermögen einschließlich Surrogate, soweit sie in die Bedarfsdeckung eingeflossen sind. Ferner gehören dazu unterhaltsbezogen nicht leichtfertig entstandene und damit berücksichtigungswürdige Belastungen.[4] Auch alle sonstigen beruflichen, gesundheitlichen, familiären und ähnlichen Faktoren, die für den Lebenszuschnitt der Eheleute von Bedeutung waren, fallen unter den Begriff der ehelichen Lebensverhältnisse. Dazu gehören auch die Haushaltsführung und Kinderbetreuung des in der Ehe nicht berufstätigen Ehegatten.[5] Nacheheliche, d.h. nach Trennung/Scheidung eingetretene Entwicklungen, die keinen Anknüpfungspunkt in der Ehe finden, können die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten sein, weil sie erst nach der Scheidung der ersten Ehe eintreten kann.[6] Eine Ausnahme bilden Unterhaltsverpflichtungen gegenüber einem neuen Ehegatten, wenn sie bereits vorher, d.h. während der Ehe des Unterhaltsverpflichteten mit dem früheren, jetzt anspruchsstellenden Ehegatten diese früheren ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hatten, z.B. als Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615 Abs. 1 BGB.[7]

Gleiches gilt umgekehrt für die aus der neuen Ehe hervorgehenden finanziellen Vorteile wie den Splittingvorteil oder sonstige, von der neuen Ehe abhängige Einkommenszuschläge.[8]

Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH[9] können die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen.[10]

Das Familieneinkommen ist das Einkommen, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht und damit insoweit unterhaltsrelevant ist. Als Familieneinkommen in diesem Sinne ist dabei das Einkommen anzusehen, das für Konsumzwecke der beiden Eheleute zur Verfügung steht und damit unterhaltsrelevant ist. Zur Beurteilung, ob die Grenze für die tatsächliche Verbrauchsvermutung überschritten ist, sind daher die Einkünfte der Eheleute vorab um vorrangigen Kindesunterhalt, sonstige eheprägende Unterhaltsverpflichtungen, berufsbedingte Aufwendungen und etwaige weitere berücksichtigungsfähige Positionen zu bereinigen. Der als Einkommensbruchteil berechnete sog. Erwerbsanreiz gehört hingegen zum unterhaltsrelevanten Einkommen. Maßgebend sind also die für die Bemessung des Ehegattenunterhalts relevanten Einkünfte.[11]

Bei der Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse zur Ermittlung der Höhe und der Dauer des Unterhalts werden grundsätzlich auch nachhaltige Veränderungen des Einkommens nach Trennung/Scheidung in beide Richtungen berücksichtigt. Es handelt sich hierbei um Einkommenserhöhungen und Einkommensminderungen.

Nachhaltige Einkommensminderungen werden berücksichtigt, wenn sie nicht auf einem unterhaltsbezogen leichtfertigen Verhalten des Unterhaltspflichtigen beruhen. Der Unterhalt ist dann nach dem jeweils im verfahrensgegenständlichen Zeitraum erzielten Einkommen zu ermitteln. Andernf...

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