Katharina Kaesling 1. Aufl. 2017, Schriftenreihe zum Europäischen Familienrecht, Bd. 43, 452 Seiten, 128 EUR, Stämpfli Verlag, ISBN 978-3-7272-2170-5

Eine neuerliche Reform des Unterhaltsrechts, namentlich des nachehelichen Unterhaltsrechts, ist seit einiger Zeit wieder in vieler Munde: Die Thematik wurde jüngst etwa von der Abteilung Familienrecht des 72. Deutschen Juristentages Leipzig 2018 im Hinblick auf einen Reformbedarf u.a. im Unterhaltsrecht kontrovers diskutiert (vgl. die Beschlüsse unter https://www.djt.de/fileadmin/downloads/72/Beschluesse_gesamt_final.pdf). Nach dem Koalitionsvertrag vom 12.3.2018 zwischen CDU/CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode soll die Regierungskoalition in ihr legislatives Arbeitsprogramm jedenfalls eine Regelung der unterhaltsrechtlichen Aspekte des "Wechselmodells" aufgenommen haben (vgl. Koalitionsvertrag, Zeilen 6243 ff./S. 132); ein entsprechender Gesetzesentwurf soll im Bundesjustizministerium bereits erarbeitet werden. Und der Familienrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins hat bereits im Januar 2017 Vorschläge für eine umfassende Reform des Ehegattenunterhaltsrechts vorgelegt (vgl. Schlünder, FF 2017, 90 ff.).

Bei derartigen Reformvorhaben wird – was in der vorliegenden Arbeit sehr schön herausgearbeitet wird (S. 316 ff., 319 ff.) – aus gutem Grund gerne auf die Ergebnisse der Rechtsvergleichung rekurriert. Denn diese liefert häufig vielfältiges Anschauungsmaterial und zu einzelnen, im Rahmen einer Reform zu regelnden Fragen liegen in den Rechtsordnungen mancher Nachbarstaaten Deutschlands bereits erste Erfahrungen vor, wie etwa in der Schweiz, in der bereits zum 1.1.2017 das Kindesunterhaltsrecht u.a. mit dem Ziel reformiert wurde, die unterhaltsrechtlichen Folgen einer alternierenden Obhut – dem schweizerischen Fachterminus für das Wechselmodell – und einer Betreuung mit unterschiedlichen Betreuungsanteilen besser bewältigen zu können (vgl. Menne, FamRB 2017, 472 ff.). Das französische Unterhaltsrecht steht bei derartigen Vergleichen dagegen eher weniger im Fokus (vgl. aber Menne, FuR 2006, 1 ff.). Das überrascht, weil der französische Gesetzgeber bereits im Jahr 2004 bei der großen französischen Scheidungsrechtsreform mit dem Ziel angetreten ist, die Scheidungsfolgen und insbesondere das nacheheliche Unterhaltsrecht zu vereinfachen: Die bis dahin in Frankreich bei allen Scheidungsformen vielfach übliche Unterhaltsrente wurde seinerzeit auf breiter Front durch die prestation compensatoire abgelöst, nämlich eine vom Grundsatz her als einmalige Kapitalabfindung ausgestaltete pauschalisierte Ausgleichsleistung, mit deren Zahlung zu einer raschen Entflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse der geschiedenen Ehegatten beigetragen und die wirtschaftliche Eigenständigkeit des schwächeren Teiles gefördert werden soll (vgl. [Schweizer] FamKommScheidung/Schwenzer/Fankhauser, 3. Aufl. 2017, Allg. Einl. Rn 50; Furkel/Gergen, FamRZ 2005, 1621 f.).

Die Lücke, die in der deutschsprachigen Literatur bislang in Bezug auf den berühmten "Blick über den Zaun" auf das französische Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht und seine Auswertung im Hinblick auf im Zuge von nationalen Reformen zu erwägende Denkansätze und Rechtsinstitute bestand, wird mit dem hier vorzustellenden, in einem renommierten schweizerischen Verlag erschienenen Band geschlossen: Bei der umfassenden Monographie handelt es sich um die von Professorin Nina Dethloff betreute, an der Rheinischen Friedrichs-Wilhelms-Universität Bonn eingereichte und mit "summa cum laude" bewertete, preisgekrönte Dissertation von Katharina Kaesling, mittlerweile Habilitandin am Käte-Hamburger-Kolleg Bonn. Ihr mehr als 400 Seiten umspannendes, gut lesbares Werk, im dem sie die französische prestation compensatoire als eine eher generalklauselartig ausgeformte monetäre Scheidungsfolge zur Unterstützung des bedürftigen, geschiedenen Ehegatten dem System des deutschen nachehelichen Unterhaltsrechts gegenüberstellt, ist (auch) das Ergebnis eines mehrmonatigen Studienaufenthalts an der renommierten Université Jean Moulin in Lyon/Frankreich, sodass in die Untersuchung Erfahrungen aus erster Hand einfließen konnten.

Bereits ein erster Blick in den Band zeigt, dass die Arbeit klar gegliedert und gut strukturiert ist. In insgesamt sieben großen Abschnitten wird das französische Scheidungsfolgenrecht zur Abwendung einer wirtschaftlichen Bedürftigkeit des geschiedenen Ehegatten und zum Ausgleich einer Ungleichheit in den Lebensverhältnissen der Ehegatten nach Scheitern der Ehe (Art. 270 Abs. 2 Code civil) im Einzelnen erläutert, in den Gesamtzusammenhang des französischen Familienrechts eingeordnet und dem funktional entsprechenden deutschen Rechtsinstitut, nämlich dem nachehelichen Unterhaltsanspruch, gegenübergestellt. Gut gelungen ist die "Legung der Grundlagen" im ersten Kapitel, in dem unter Bezugnahme auf europäisches Recht und die einschlägigen Haager Übereinkommen herausgearbeitet wird, dass es sich bei der prestation compensatoire um ...

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