Beide Entscheidungen zeigen, dass das Recht der Vaterschaftsanerkennung und das Abstammungsrecht insgesamt im Hinblick auf die neuen Familienformen, die Ehe für alle und die Zulässigkeit der Stiefkindadoption unabhängig vom Vorliegen einer Ehe (§ 1766a BGB) dringend reformbedürftig sind. Hinsichtlich eines aufenthaltsrechtlichen Missbrauchs wird allerdings auch eine Reform des Abstammungsrechts wenig zielführend sein. Die wiederholten gescheiterten Versuche des Gesetzgebers zur Verhinderung missbräuchlicher Vaterschaftsanerkennungen belegen dies. Bei einer geschickten Argumentation der Beteiligten werden auch künftig Missbrauchsfälle familienrechtlich kaum verhindert werden können. Der frühere Bundesverfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hat nicht zu Unrecht darauf hingewiesen, dass aus dem unverzichtbaren Asylrecht für politisch Verfolgte, das entgegen manchen Bekundungen von Politikern auch keine Obergrenze kennt, aufgrund der nicht durchsetzbaren Abschiebungen ein "Asylbewerber-Recht für jedermann" geworden ist. Flucht und Migration wurden jahrelang faktisch vermengt. Eine diesbezügliche (unbequeme politische) Entscheidung ist längst überfällig. Niemand hindert den deutschen Staat daran, freiwillig und ohne Rechtszwang bedrängte und in Not geratene Menschen aufzunehmen und ihnen eine Hilfe zu gewähren. Humanität kann man auch im Recht und nicht nur gegen es, insbesondere durch den Missbrauch familienrechtlicher Institute, walten lassen.[22]

Autor: Notar a.D. Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz, Regensburg

FF 2/2022, S. 63 - 66

[22] Ausf. Papier, Die Warnung. Wie der Rechtsstaat ausgehöhlt wird, 2019, S. 258 f.

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