§ 1383 BGB – eine Vorschrift mit Potenzial

I. Einleitung

Der Zugewinnausgleich des BGB ist – entsprechend seiner Grundidee und wie in § 1378 I BGB festgehalten – auf eine Geldforderung gerichtet. Grundsätzlich können weder der Ausgleichsgläubiger noch der Ausgleichsschuldner den Vollzug des Ausgleichs durch Übertragung von dem anderen gehörende Vermögensgegenstände verlangen. Eine Ausnahmeregelung enthält § 1383 BGB. Nach dieser Bestimmung kann der Ausgleichsgläubiger unter noch zu erörternden Voraussetzungen die Übertragung von Vermögensgegenständen unter Anrechnung auf die Ausgleichsforderung verlangen.

Zu sagen, dass die Vorschrift, in Kraft seit der Einführung des Zugewinnausgleichs im Jahre 1958, in der Rechtsprechung ein Schattendasein führe, wäre weit untertrieben. Richtiger ist: Sie kommt in der gerichtlichen Praxis so gut wie nicht vor.[1] Während zahlreiche Autoren, allen voran Elisabeth Koch,[2] die Möglichkeiten einer Übertragung von Vermögensgegenständen nach § 1383 BGB, die zugehörigen Verfahrensfragen und die Konsequenzen einer entsprechenden Entscheidung ausgiebig beleuchten, existiert in der veröffentlichten Rechtsprechung nur eine Entscheidung, die die Voraussetzungen einer Vermögensübertragung nach dieser Vorschrift näher in den Blick nimmt. Es ist ein Beschluss des OLG Hamm aus dem Jahre 1978.[3] Diese Entscheidung hat Maßstäbe vorgegeben und Anforderungen gestellt, an denen die Literatur sich orientiert. Es sind dies allerdings Anforderungen, die, so scheint es, den Praktiker in der Folgezeit von vornherein haben resignieren lassen. Herausverlangen von Gegenständen gemäß § 1383 BGB? Keine Chance! Zu strenge Anforderungen.

Es lohnt sich, die Vorgaben "der Rechtsprechung", auf die die Literatur sich im Wesentlichen beruft, einmal auf den Prüfstand zu stellen. Und es lohnt sich vor allem, der Frage nachzugehen, ob nicht über die geltende gesetzliche Regelung hinaus die Möglichkeiten, im Zugewinnausgleich oder aus Anlass des Zugewinnausgleichs die Herausgabe oder auch die Übernahme von Gegenständen erzwingen zu können, durch den Gesetzgeber ausgeweitet werden sollten.

[1] So auch Borth, FamRZ 2009, 157, 166: "in der gerichtlichen Praxis bedeutungslos".
[2] MüKo-BGB/Koch, 7. Aufl. 2017, § 1383 Rn 1 ff.; vgl. aber auch die Kommentierungen zu § 1383 u.a. von Staudinger/Thiele, BGB, §§ 1363 – 1407, Neubearbeitung 2017; Johannsen/Henrich/Jäger, Familienrecht, 6. Aufl., 2015; NK-BGB/Fischinger, BGB, Familienrecht, 3. Aufl., 2014; sowie Bergschneider/Bergschneider, FamVermR, 3. Aufl., 2016, Rn 4.409 ff.; Braeuer, Der Zugewinnausgleich, 2. Aufl., 2015, Rn 524 ff.
[3] FamRZ 1978, 687.

II. Die gesetzliche Regelung: Was geht? Was geht nicht?

Nach § 1383 Abs. 1 BGB kann – richtiger: muss[4] – das Familiengericht auf Antrag des Zugewinnausgleichsgläubigers anordnen, dass der Zugewinnausgleichsschuldner bestimmte Gegenstände seines Vermögens dem Gläubiger unter Anrechnung auf dessen Zugewinnausgleichsforderung zu übertragen hat, wenn dies erforderlich ist, um eine grobe Unbilligkeit für den Gläubiger zu vermeiden, und wenn dies dem Schuldner zumutbar ist. Das bedeutet: Zunächst einmal muss der die Übertragung Verlangende auch der Zugewinnausgleichsgläubiger sein. Sodann darf, jedenfalls nach der zutreffenden ganz h.M.,[5] der Wert des herausverlangten Gegenstandes nicht die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung (einschließlich etwaiger Zinsen)[6] übersteigen; denn auf die Zugewinnausgleichsforderung "anrechnen" lässt sich nur ein diese nicht übersteigender Betrag.[7] Schließlich muss die Übertragung zur Vermeidung einer groben Unbilligkeit für den Herausverlangenden erforderlich und zugleich dem auf Übertragung in Anspruch Genommenen zumutbar sein. Sind die ersten beiden Voraussetzungen erfüllt, findet also als Drittes eine Interessenabwägung statt, bei der die genannten Kriterien zugrunde gelegt werden: Vermeidung einer "groben Unbilligkeit" auf der einen, "Zumutbarkeit" auf der anderen Seite.

Von vornherein ausgeschlossen ist danach eine Übertragung von Vermögensgegenständen gegen den Willen des anderen Ehegatten in folgenden Fällen:

Der Wert des herausverlangten Gegenstandes ist höher als die Zugewinnausgleichsforderung. Der Zugewinnaugleichsgläubiger kann dann die Herausgabe auch nicht dadurch erzwingen, dass er Zahlung des Differenzbetrages an den Schuldner anbietet.
Der Zugewinnausgleichsschuldner möchte, statt Geld zu zahlen, dem anderen einen Gegenstand überlassen.
Der Zugewinnausgleichsschuldner möchte einen Gegenstand von dem anderen übertragen bekommen. Er kann das nicht etwa durch das Angebot der Zahlung eines weiteren, über die Zugewinnausgleichsschuld hinausgehenden Betrages erzwingen.[8]

In diesen Fällen kann das von dem einen Ehegatten gewünschte Ergebnis nur durch eine einverständliche Lösung erreicht werden.

[4] Zutreffend dazu OLG Hamm FamRZ 1978, 687, 688; Johannsen/Henrich/Jäger, § 1383 Rn 8: Trotz des Wortes "kann" im Gesetz hat das Gericht keinen Ermessensspielraum; wenn die Voraussetzungen des § 1383 BGB vorliegen, muss es die begehrte Anordnung treffen.
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