§ 1383 BGB ist eine zu Unrecht vernachlässigte Vorschrift. Die hinter ihr stehende Idee, Härten abzumildern, indem in Grenzen das Herausverlangen von Sachgütern anstelle von Geld ermöglicht wird, verdient es, von der Rechtsprechung angenommen und umgesetzt zu werden. Und sie verlangt nach einer Weiterentwicklung durch den Gesetzgeber.

Die Rechtsprechung sollte die Möglichkeiten, die die Vorschrift in ihrer jetzigen Fassung trotz der vorgegebenen hohen Schwelle der groben Unbilligkeit eröffnet, nicht dadurch zunichte machen, dass sie diesen unbestimmten Rechtsbegriff zusätzlich auch noch restriktiv auslegt. Ein weniger strenges, mehr Spielraum eröffnendes Verständnis ist möglich und geboten.

Um eine solche Entwicklung zu unterstützen, sollte der Gesetzgeber als erstes die Schwelle von der groben zur einfachen Unbilligkeit absenken. Er sollte sodann den Anwendungsbereich der Regelung auf weitere Fallkonstellationen erstrecken: Zum einen sollte der Zugewinnausgleichsgläubiger auch dann die Übertragung eines im Vermögen des anderen befindlichen Gegenstandes unter Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung verlangen können, wenn dessen Wert die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung übersteigt und er zur Zahlung des Differenzbetrages an den Ausgleichsschuldner bereit ist, vorausgesetzt, dies ist zur Vermeidung einer Unbilligkeit für den Gläubiger erforderlich und dem Schuldner zumutbar. Zum anderen sollte ein solches Übertragungsverlangen unter entsprechenden Voraussetzungen auch dem Zugewinnausgleichsschuldner zugestanden werden, der dann nicht nur die Zugewinnausgleichsforderung zu begleichen, sondern auch den Wert des herausverlangten Gegenstandes zu erstatten hätte. Nicht geboten ist es dagegen, dem Zugewinnausgleichsschuldner zu ermöglichen, dem anderen einen Vermögensgegenstand unter Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsschuld aufzudrängen. Wünschenswert wäre darüber hinaus eine Regelung, die es ermöglicht, einzelne Gegenstände von der Ermittlung des Endvermögens auszunehmen und real zu teilen.

Dies hätte mehrere positive Effekte: Härten, die im Einzelfall durch die Entgegennahme von Geld statt der Übernahme eines Vermögensgegenstandes entstehen können, könnten vermieden oder abgemildert werden. Die Teilungsversteigerung der Familienimmobilie (bei Miteigentum) oder deren Verkauf an einen Dritten (bei Alleineigentum) könnte, gerade auch im Interesse der Kinder, in manchen Fällen durch deren Übernahme auch gegen den Willen des anderen Ehegatten vermieden werden. Ganz generell würden die Möglichkeiten einer sinnvollen Beendigung von Bruchteilsgemeinschaften durch Übernahme der alleinigen Berechtigung durch einen Ehegatten statt der Zerschlagung von Vermögensgegenständen verbessert. In Fällen ehebezogener Zuwendungen könnte das auf gegenständliche Rückgewähr gerichtete Verlangen unabhängig vom Wert des Herausverlangten und der Höhe der Zugewinnausgleichsforderung und unabhängig davon, ob der Zugewinnausgleichsgläubiger oder der Ausgleichsschuldner die Rückgewähr wünscht, in den Zugewinnausgleich integriert und so ein entsprechendes, auf § 313 BGB gestütztes Verfahren überflüssig gemacht werden. Die verstärkte Teilhabe an Sachgütern durch Realteilung dort, wo keine Folgekonflikte drohen, könnte Bewertungsschwierigkeiten und -ungerechtigkeiten zu vermeiden helfen.

Gibt es durchgreifende Gegenargumente? Die Sorge der Gesetzesmacher von 1958, eine weite Fassung der Vorschrift werde eine Fülle von Streitigkeiten auslösen, erscheint unberechtigt. In den fraglichen Fällen besteht meist ohnehin Streit über den Zugewinnausgleich. Wenn nun der Spielraum betreffend den Teilungsmodus erweitert wird, vergrößert dies das Streitpotential nur unwesentlich, verbessert aber die Chancen für mehr Einzelfallgerechtigkeit. Soweit ehebezogene Zuwendungen zugrunde liegen, wird ein bereits bestehender Streit in den Zugewinnausgleich verlagert. Einem eventuellen Missbrauch einer die Möglichkeiten deutlich erweiternden Vorschrift, z.B. durch ein auf Herausgabe zahlreicher Gegenstände gerichtetes Verlangen, wird über die Kriterien der Billigkeit bzw. Zumutbarkeit begegnet werden können. Und auch der vom Gesetzgeber gerade in jüngerer Zeit betonte Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes (Art. 14 GG)[57] darf einer Regelung, die für mehr Gerechtigkeit am Ende einer gescheiterten Ehe sorgt und wesentlich auch dem Schutz der Kinder dient, nicht entgegenstehen. Ein Blick auf vergleichbare Regelungen in den europäischen Nachbarstaaten[58] zeigt, dass eine die Bedeutung des Eigentums in den Mittelpunkt rückende Sichtweise unangebracht ist.

Anmerkung:

Vorstehender Beitrag ist erstmalig in der Festschrift für Professor Elisabeth Koch "Familienrecht zwischen Tradition und Innovation" im Gieseking Verlag erschienen (Oktober 2019). Der Gieseking Verlag, der Autor und die Herausgeber Professor Schwab und Professor Kanzleiter haben den Abdruck freundlicherweise genehmigt.

Frau Professor Koch hat die Veröffentlichung des Aufsatzes in der FF ausdrücklich begrüßt...

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