Katharina Hilbig-Lugani/Peter M. Huber (Hrsg.) De Gruyter Verlag Berlin 2019, geb., 216 S., 99,95 EUR, ISBN 978-3-11-055177-8

Im Sommer 2017 hat Professor Dr. Michael Coester seinen 75. Geburtstag gefeiert; ein Jubiläum, dass von Rudolf Streinz seinerzeit in der FF (vgl. Streinz, Prof. Dr. Michael Coester zum 75. Geburtstag, FF 2017, 309 f.; vgl. auch Peschel-Gutzeit, Ein unermüdlicher Kämpfer im Familienrecht: Michael Coester, ZKJ 2017, 359 sowie die Würdigung zum 70. Geburtstag von Willutzki, ZKJ 2012, 261 f.) ausführlich gewürdigt wurde. Dem Familienrechtspraktiker ist Professor Michael Coester, der bis zu seiner Emeritierung 2007 den Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht sowie Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung der Ludwig-Maximilians-Universität München innehatte, ein Begriff. Denn seit seiner weithin bekannten Habilitationsschrift vom "Kindeswohl als Rechtsbegriff" (1981) gehören das Familienrecht, namentlich das Kindschaftsrecht – auch unter rechtsvergleichenden Aspekten – zu seinen zentralen Arbeits- und Forschungsschwerpunkten und Michael Coester hat es stets verstanden, die wissenschaftliche Arbeit mit den Anforderungen der Praxis zu verbinden; beispielsweise durch seine langjährige Tätigkeit in der Kinderrechtekommission und im Vorstand des Deutschen Familiengerichtstages.

Das Jubiläum haben Kolleginnen und Kollegen zum Anlass genommen, zu seinen Ehren im Herbst 2017 ein wissenschaftliches Symposium zu veranstalten. Unter dem Oberthema "Moderne Familienformen" wurden dabei die Herausforderungen diskutiert, denen sich die Vielfalt der heute gelebten Familienformen gegenübersehen – aus verfassungsrechtlicher Sicht, mit Blick auf die Probleme im Abstammungsrecht und bei Mehrelternfamilien sowie im europarechtlichen Kontext. In gewisser Weise schließt sich damit der Kreis. Denn das Familienrecht befindet sich derzeit in einer ähnlichen Umbruchsituation wie in der Zeit, in der Coester seine Habilitationsschrift vorlegte: Damals diskutierte man noch intensiv darüber, wie viel Autonomie Eltern zur Regelung der Sorgeverhältnisse ihrer Kinder nach dem Zerfall ihrer Familiengemeinschaft verbleiben sollen und inwieweit es einer staatlichen Regelung dieser Frage bedarf (vgl. im Band den Beitrag von Veit, S. 3). Inzwischen haben sich die Akzente deutlich verschoben; heute, mehr als 30 Jahre nach der Publizierung der Schrift, geht es nicht mehr um den Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge nach Scheidung, sondern um Themen wie die Kinderbetreuung im Wechselmodell, um medizinisch assistierte Reproduktion, um Mehreltern- und soziale Elternschaft sowie gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen.

Der lesenswerte Band beginnt mit einer von Barbara Veit, Universität Göttingen, verfassten, ausführlichen Würdigung des Werks von Michael Coester. Darauf folgt ein verfassungsrechtlicher Beitrag von Matthias Jestaedt, Universität Freiburg im Breisgau, der ausführlich der Frage nachgeht, ob und inwieweit der Elternbegriff in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG sich mit dem im Familienrecht der §§ 1591 ff. BGB deckt oder nicht. Von Nina Dethloff von der Universität Bonn wird sodann das europäische Tableau ausgebreitet und die europäischen Gemeinsamkeiten in der Entwicklung des Familienrechts sowie die Herausforderungen dargestellt, denen es sich aktuell gegenübersieht. Stichpunkte sind dabei u.a. die Gleichberechtigung von Frau und Mann in Bezug auf u.a. (ungleiche) berufliche Chancen, das unausgeglichene Verhältnis zwischen Erwerbstätigkeit/Familienarbeit sowie (unzulängliche) Kinderbetreuungsangebote, faktische Lebensgemeinschaften und registrierte Partnerschaften und natürlich die Öffnung der Ehe, aber auch Fragen der Adoption und der assistierten Reproduktion: Das von Dethloff gezogene Fazit, dass nämlich Europa – im Ganzen gesehen – über ein solides Fundament von gemeinsamen Grundwerte und weitgehend ähnlichen Entwicklungslinien verfügt, überrascht nicht: Das ist eine wichtige Voraussetzung für den weiteren Ausbau von Gemeinsamkeiten und stimmt von daher hoffnungsvoll im Hinblick auf eine künftige Annäherung der Familienrechtsordnungen in Europa. Vor dem Hintergrund des im Sommer 2017 frisch vorgelegten Abschlussberichts des Arbeitskreises Abstammungsrecht im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz widmet sich Marina Wellenhofer von der Universität Frankfurt/M. ausführlich den Thesen und Vorschlägen des Arbeitskreises für eine zu schaffende gesetzliche Regelung der "rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung", wie das Abstammungsrecht nach Auffassung des Arbeitskreises künftig heißen soll – eine Begrifflichkeit, die von Wellenhofer abgelehnt wird. Ihrer Forderung, der Gesetzgeber möge die drängende Reform des Abstammungsrechts bald angehen, dabei aber auch nichts überstürzen, wird man sich allerdings gerne anschließen. Jens Scherpe von der englischen Universität Cambridge steuert eine interessante Betrachtung zu modernen Familienformen in der Tradition des englischen Common Law bei, bei der er zu dem t...

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