BGB § 1573 Abs. 2 § 1574 § 1578 Abs. 1 § 1578 Abs. 3 § 1578b

Leitsatz

1. Es ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Tatsachengerichte im Sinne einer tatsächlichen Vermutung davon ausgehen, dass ein Familieneinkommen bis zur Höhe des Doppelten des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrags vollständig für den Lebensbedarf der Familie verwendet worden ist. Der Unterhaltsbedarf kann in diesem Fall ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung nach der Einkommensquote bemessen werden. Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, hat der Unterhaltsberechtigte, wenn er dennoch Unterhalt nach der Quotenmethode begehrt, die entsprechende Verwendung des Einkommens für den Lebensbedarf darzulegen und im Bestreitensfall in vollem Umfang zu beweisen (im Anschluss an Senatsbeschl. v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16, BGHZ 217, 24 = FamRZ 2018, 260). (Rn 29)

2. Als Familieneinkommen in diesem Sinn ist dabei das Einkommen anzusehen, das für den ehelichen Lebensbedarf der beiden Ehegatten zur Verfügung steht und damit insoweit unterhaltsrelevant ist. (Rn 30)

3. Die Unterhaltspflicht gegenüber einem neuen Ehegatten ist ausnahmsweise für die Bemessung des Unterhaltsbedarfs des früheren Ehegatten zu berücksichtigen, soweit sie – etwa als Anspruch auf Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB – bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat (Fortführung von Senatsurt. v. 7.12.2011 – XII ZR 151/09, BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 und Senatsbeschl. v. 7.5.2014 – XII ZB 258/13, FamRZ 2014, 1183). (Rn 32)

4. Jedenfalls, wenn der Unterhaltspflichtige eine unterhaltsrechtlich anzuerkennende zusätzliche Altersvorsorge betreibt, ist es geboten, dies auch dem Unterhaltsberechtigten durch eine entsprechende Erhöhung des Altersvorsorgeunterhalts zu ermöglichen. (Rn 35)

BGH, Beschl. v. 25.9.2019 – XII ZB 25/19 (OLG Celle, AG Peine)(Anm. d. Red.: Die Entscheidung ist abgedruckt in FF 2019, 495 ff.)

1 Anmerkung

In dem umfangreichen, 25 Seiten langen Beschluss, geht der BGH auf verschiedene Probleme beim Ehegattenunterhalt ein. Im Rahmen dieser Anmerkung sollen vier Punkte herausgegriffen werden:

I. Quotenberechnung auch bei hohem Familieneinkommen der Eheleute

Bis zum Beschluss des BGH vom 15.11.2017[1] war es Stand der Rechtsprechung, dass bei sehr hohen Einkünften der Eheleute keine Quotenberechnung am Maßstab des Halbteilungsgrundsatzes durchzuführen ist, sondern der unterhaltsberechtigte Ehegatte seinen Bedarf am Maßstab der ehelichen Lebensverhältnisse konkret darzulegen hatte.

Die Quotenberechnung spielte nur insoweit eine Rolle, als der konkrete Unterhaltsanspruch betragsmäßig auf den Unterhaltsbetrag begrenzt war, der sich auch bei einer Quotenberechnung ergeben würde.

Mit seinem Beschl. v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16 hatte der BGH die Rechtsprechung zur Notwendigkeit einer konkreten Bedarfsberechnung grundlegend geändert.

Er hatte einerseits die Grenze, bis zur der unproblematisch eine Quotenberechnung durchgeführt werden kann, gegenüber der früheren Rechtsprechung deutlich erhöht. Diese Grenze ist erst erreicht, wenn das Gesamteinkommen beider Eheleute das Doppelte des höchsten in der Düsseldorfer Tabelle ausgewiesenen Einkommensbetrages übersteigt, somit bei 11.000,00 EUR. Bis dahin kann ohne Darlegung der konkreten Einkommensverwendung der Unterhalt nach der Quotenberechnung ermittelt werden.

Soweit das Einkommen darüber hinausgeht, ist der unterhaltsberechtigte Ehegatte aber nun nicht mehr auf die konkrete Bedarfsberechnung angewiesen. Er kann wahlweise auch den Unterhalt nach der Quotenmethode berechnen. Er muss dazu allerdings darlegen und im Bestreitensfall auch beweisen, dass und in welcher Höhe über das Familieneinkommen von 11.000,00 EUR hinaus die Einkünfte tatsächlich für den Lebensbedarf verwendet worden sind.

Die Einkommensgrenze von 11.000,00 EUR schließt die Quotenberechnung nicht aus, sondern hat lediglich eine Umkehr der Darlegungs- und Beweislast zur Folge.

Hintergrund dieser Rechtsprechung ist, dass man bei kleinen und mittleren Einkommen davon ausgehen kann, dass es im Wesentlichen auch für gemeinsamen Lebensunterhalt in der Ehe verbraucht wird. Bei hohen Einkünften gilt diese Vermutung nicht. Vielmehr ist bei hohen Einkünften anzunehmen, dass die Einkünfte nicht vollständig in den Konsum fließen, sondern ein Teil davon auch als Vermögensbildung zurückgelegt wird.

Die Leitlinien der Oberlandesgerichte haben diese wesentliche Rechtsprechungsänderung nur zum Teil aufgegriffen. Mit Stand 1.1.2019, also gut ein Jahr nach der damaligen BGH-Entscheidung, wurde in vielen Leitlinien immer noch darauf verwiesen, dass bei sehr guten Einkommensverhältnissen der Bedarf zwingend konkret zu berechnen sei. Erwähnung fand die neue Rechtsprechung des BGH beispielsweise in den Leitlinien des OLG Braunschweig und des OLG Jena, ähnlich in den Leitlinien des OLG Köln und des OLG Schleswig.

In seiner aktuellen Entscheidung vom 25.9.2019 bekräftigt der BGH diese wesentliche Rechtsprechungsänderung und konkretisiert sie weiter. In...

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