Im Jahr 2017 gab es über 340.000 Kindschaftsverfahren[1] vor deutschen Familiengerichten. In der Familiengerichtsbarkeit werden Entscheidungen getroffen, die oft erhebliche Auswirkungen auf die Biografien von Kindern und ihre Familien haben. Häufig handelt es sich um hochkonflikthafte Sorge- und Umgangsstreitigkeiten sowie komplexe Kinderschutzverfahren.

Familiengerichtliche Verfahren und Entscheidungen sollen sich am Primat des Kindeswohls und der Verhältnismäßigkeit orientieren. Doch werden die Rechte von Kindern nicht immer ausreichend gewahrt. Das staatliche Wächteramt erfordert einerseits, jedes Kind vor Gefährdung und Schaden zu schützen, und andererseits garantiert die Verfassung, die Integrität und das Erziehungsrecht von Familien zu achten. Diese Gratwanderung sowie die meist große Emotionalität, Hochstrittigkeit, Belastung, Vulnerabilität und oft eingeschränkte Ressourcenstärke vieler Betroffener stellen höchste Anforderungen an die Qualifikationen aller beteiligten Professionen. Diese müssen nicht nur die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen, das Familienrecht, Familienverfahrensrecht, Kinder- und Jugendhilferecht und die Rechte aus der UN-Kinderrechtskonvention beherrschen, sondern auch über Einfühlungsvermögen und Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen verfügen. Ebenso wichtig sind grundlegende Kenntnisse in Psychologie und Anhörungstechniken, gerade wenn es sich um kleine Kinder handelt, sowie ein klares Aufgaben- und Rollenverständnis in Abgrenzung zur anderen Profession.

In der 18. Legislaturperiode wurde eine Reform des Sachverständigenrechts verabschiedet. Sie schreibt unter anderem vor, dass nur noch bestimmte Berufsgruppen als Sachverständige im Familienrecht zugelassen sind. Zudem wurden Mindeststandards für Gutachten entwickelt, auf die die Gesetzesbegründung verweist. Dies können allerdings nur erste Schritte im Bemühen um eine umfassende Qualifizierung aller Akteure im Kontext der Familiengerichtsbarkeit sein.

Wichtig ist, eine offene Debatte über die Herausforderungen in der Praxis der Familiengerichte zu führen und über die besonderen Anforderungen an die Qualifikationen aller beteiligten professionellen Akteure zu diskutieren. Dazu möchte die Kinderkommission beitragen.

Die Kinderkommission hat sich in drei Expertenanhörungen mit den Herausforderungen beschäftigt, die sich den genannten Professionen stellen. Zusätzlich wurden betroffene Kinder und Jugendliche zu ihren Erfahrungen befragt.

Folgende Sachverständige wurden angehört und um schriftliche Stellungnahmen gebeten:

Außerdem führte die Vorsitzende in Düsseldorf 15 Kurzinterviews mit Kindern und Jugendlichen über ihre Erfahrungen mit Familiengerichten. Fünf Tonaufnahmen dieser Interviews wurden zu Beginn der 4. Sitzung der Kinderkommission in den Sitzungsraum eingespielt.

[1] Familiengerichtliche Verfahren ohne Scheidung und Ehesachen an Amtsgerichten und Oberlandesgerichten.

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