1. Problemstellung

Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017[1] ist gemäß Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ab dem 22.7.2017 eine unter Beteiligung eines nach ausländischem Recht ehemündigen Minderjährigen geschlossene Ehe nach deutschem Recht als "Nichtehe" zu qualifizieren. Die Regelung des Art. 13 Abs. 3 EGBGB setzt im Wege einer Sachnorm die deutsche Wertung der Ehemündigkeit nach § 1303 BGB neu[2] (Ehemündigkeit ab 18 Jahre) auch gegenüber im Ausland geschlossenen Ehen durch, womit ihr der Charakter einer Eingriffsnorm zukommt.[3] Mit Beschl. v. 14.11.2018 hat der BGH[4] das bei ihm anhängige Verfahren zur Wirksamkeit sog. Kinderehen ausgesetzt und dem BVerfG die Frage nach der Vereinbarkeit von Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017[5] mit Art. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 GG unterbreitet, soweit eine unter Beteiligung eines nach ausländischem Recht ehemündigen Minderjährigen geschlossene Ehe nach deutschem Recht – vorbehaltlich der Ausnahmen in der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB – ohne einzelfallbezogene Prüfung als "Nichtehe" qualifiziert wird, wenn der Minderjährige im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.

2. Verfahrensverlauf

Der 1994 geborene Antragsteller und die 2001 geborene minderjährige Betroffene sind syrische Staatsangehörige, die 2015 vor dem Scharia-Gericht in Sarakeb/Syrien die Ehe schlossen. Im selben Jahr flüchteten sie nach Deutschland. Die mit dem Antragsteller bis dahin zusammenlebende Betroffene wurde nach ihrer Registrierung in einer Erstaufnahmeeinrichtung vom Jugendamt in Obhut genommen, vom Antragsteller getrennt und in eine Jugendhilfeeinrichtung für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge verbracht. Das AG-Familiengericht stellte das Ruhen der elterlichen Sorge fest und ordnete Vormundschaft des zuständigen Stadtjugendamts an. Der Antragsteller beantragte daraufhin beim AG-Familiengericht eine Überprüfung der Inobhutnahme und die Rückführung der Betroffenen. Das AG-Familiengericht hat das Begehren des Antragstellers in einen Antrag auf Regelung des Umgangsrechts umgedeutet und eine entsprechende Regelung getroffen. Das OLG Bamberg hat auf die Beschwerde gegen den Beschluss des AG-Familiengerichts Aschaffenburg[6] entschieden, dass das als Vormund bestellte städtische Jugendamt nicht über den Aufenthalt bestimmen dürfe.

Das OLG Bamberg[7] hat sich 2016 in seiner Aufsehen erregenden Entscheidung mit der Frage befasst, ob die Unterschreitung des Ehemündigkeitsalters nach § 1303 BGB alt bei einer Eheschließung im Ausland zur Nichtigkeit der Ehe führt. Das Gericht hat dabei festgestellt, dass selbst bei einem Verstoß gegen den deutschen ordre public nach Art. 6 EGBGB[8] keine Ehenichtigkeit eintritt, wenn nach dem für die Eheschließung gemäß Art. 11 und 13 EGBGB anzuwendenden ausländischen Recht die Ehe bei Unterschreitung des dort geregelten Ehemündigkeitsalters nicht unwirksam, sondern nur anfechtbar oder aufhebbar wäre.

Mit der vom OLG Bamberg nach § 70 Abs. 1 FamFG zugelassenen Rechtsbeschwerde wendet sich der Vormund der Betroffenen gegen diese Entscheidung an den BGH. Der Vormund will weiterhin ein reduziertes Umgangsrecht nur in Begleitung eines Dritten erreichen.

3. Entscheidungsgrundlage

Der Ausgang des Verfahrens hängt von der Wirksamkeit der Ehe des Antragstellers mit der Betroffenen nach deutschem Recht ab. Eine wirksame Ehe – wie sie das OLG Bamberg festgestellt hat – würde nämlich eine Ausübung des dem Vormund nach den §§ 1800, 1631 und 1632 BGB zustehenden Sorgerechts dahingehend ausschließen, dass der Antragsteller nur einmal wöchentlich in der Zeit zwischen 14.00 und 17.00 Uhr in Begleitung eines Dritten mit der Betroffenen verbringen darf.

Die Entscheidung des BGH hat allerdings auf der Grundlage der zwischenzeitlich – nicht zuletzt auch aufgrund der Entscheidung des OLG Bamberg – in die Wege geleiteten Gesetzesreform auf der Grundlage des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17.7.2017 zu erfolgen.

Infolge dieser Reform haben sowohl das materielle Eherecht in § 1303 BGB in Bezug auf die Ehemündigkeit als auch die einschlägige IPR-Regelung in Art. 13 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 EGBGB wesentliche Änderungen erfahren. Eine Ehe darf nach § 1303 S. 1 BGB nicht mehr vor Eintritt der Volljährigkeit eingegangen werden – mit einer Person, die das 16. Lebensjahr (noch) nicht vollendet hat, kann eine Ehe gemäß § 1303 S. 2 BGB nicht wirksam eingegangen werden. Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB bestimmt, dass eine Ehe – sofern die Ehemündigkeit eines Verlobten nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB ausländischem Recht unterliegt – nach deutschem Recht unwirksam ist, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte. Nach der Übergangsvorschrift des Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB gilt Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB nicht, wenn der minderjährige Ehegatte vor dem 22.7.1999 geboren worden ist (Nr. 1) oder wenn die nach ausländi...

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