GG Art. 6 Abs. 2 S. 1, BGB § 1684 Abs. 2, 4

Leitsatz

Die für eine Umgangseinschränkung notwendige konkrete Gefährdung des Kindes kann nicht schon dann angenommen werden, wenn infolge möglicherweise pädophiler Neigungen des umgangsberechtigten Elternteils ein "Restrisiko" verbleibt. Es ist vielmehr erforderlich, dass der sichere Schluss auf derartige Neigungen gezogen werden kann und diese auch eine Einschränkung der Verhaltenskontrolle im Sinne einer Gefährdung des Kindes ergeben. Solange keine Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Kindes bestehen, hat die Mutter trotz ihrer nachvollziehbaren Vorbehalte den unbegleiteten Umgang des Vaters mit dem Kind zumindest in neutraler Weise zu dulden.

(Leitsätze der Redaktion)

BVerfG, Beschl. v. 29.11.2007 – 1 BvR 1635/07 (OLG München, AG Fürstenfeldbruck)

Aus den Gründen

Gründe: I. Der Beschwerdeführer wendet sich dagegen, dass ihm die Fachgerichte lediglich einen begleiteten Umgang mit seinem Kind eingeräumt und einen Ferienumgang ausgeschlossen haben.

1. Aus der Ehe des Beschwerdeführers und der Kindesmutter ging im Januar 2002 eine Tochter hervor, die seit der Trennung der Eltern im Januar 2004 von der Mutter betreut wird. Bis Oktober 2004 hatte der Beschwerdeführer regelmäßig alle 14 Tage unbegleiteten Umgang mit dem Kind.

a) Mit dem angegriffenen Beschl. v. 15.11.2006 räumte das AG dem Beschwerdeführer ein begleitetes Umgangsrecht alle 14 Tage samstags von 10.00 bis 14.00 Uhr ein.

Das Gericht schließe sich den Ausführungen der Sachverständigen im Gutachten und ihren mündlichen Erläuterungen an. Danach erlebe die Tochter die gemeinsamen Stunden mit dem Vater unbelastet und schön. Auf Grund der bestehenden Gefahr der pädophilen Neigung des Beschwerdeführers entspreche die Anordnung eines beschützten Umgangs dem Kindeswohl. In einem solchen Fall sei es erforderlich, dass jede denkbare Gefährdung des Kindes nach menschlichem Ermessen ausgeschlossen werde. Um das Umgangsrecht einzuschränken, müssten konkrete Gründe, die das Wohl des betroffenen Kindes berührten, vorliegen. Die Sachverständige schildere zwar, dass im Rahmen der Begutachtung der Interaktion zwischen Tochter und Beschwerdeführer keine konkreten Anhaltspunkte für eine pädophile Neigung des Beschwerdeführers ersichtlich gewesen seien. Allerdings gehe die Sachverständige davon aus, dass Verdachtsmomente nicht vollständig hätten ausgeräumt werden können. Das vorhandene Restrisiko erfordere einen begleiteten Umgang. Das Gericht schließe sich dem nach Gesamtabwägung der vorhandenen Verdachtsmomente an.

Gegen den Beschwerdeführer sei ein mittlerweile rechtskräftiger Strafbefehl über 90 Tagessätze wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften von mindestens 27 Bilddateien auf seinem Computer erlassen worden. Der Beschwerdeführer selbst habe dazu im Rahmen der Begutachtung ausgeführt, er habe 1994/95 Videobearbeitungsprogramme illegal aus dem Internet heruntergeladen. Die Dateien mit pornografischem Inhalt seien mehr oder minder zufällig auf den Server gelangt. Er lösche aber grundsätzlich nichts, was sich auf seinem Computer befinde, man könne auch nie wissen, ob man das Material später noch benötigen werde. Später habe er das Material vergessen. Den Strafbefehl habe er aus rein pragmatischen Gründen akzeptiert, da sein Einkommen zu niedrig geschätzt worden sei. Diese Einlassung habe der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung wiederholt. Diese gesamte Begründung sei indes nicht nachvollziehbar. In Anbetracht der Tatsache, dass bereits im Jahr 2004 die Trennung der Eltern erfolgt sei und der Beschwerdeführer eine kleine Tochter habe, sei die Erklärung des Beschwerdeführers zur Hinnahme des schweren Schuldvorwurfs nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus besitze der Beschwerdeführer eine Präferenz für einen jugendlichen androgynen Frauentyp. Eine Rasur im Intimbereich der Partnerin sei für sein eigenes sexuelles Erlebnis erforderlich. Die Äußerung des Beschwerdeführers, er habe zu einem kleinen Mädchen eine sehr schöne Freundschaft entwickelt, sei in diesem Zusammenhang zu sehen. Die Gesamtschau der genannten Faktoren führe zu der Auffassung des Gerichts, es bestehe eine Gefahr pädophiler Neigungen des Beschwerdeführers. Jedenfalls solange die Tochter noch nicht zur eigenen Willensbildung fähig sei, sei die Einschränkung des Umgangsrechts erforderlich.

b) Die gegen den amtsgerichtlichen Beschluss seitens des Beschwerdeführers eingelegte Beschwerde wies das OLG mit dem angegriffenen Beschl. v. 21.3.2007 nach Einholung einer weiteren Stellungnahme des Jugendamtes mit der Maßgabe zurück, dass die Dauer des begleiteten Umgangs auf jeweils acht Stunden erstreckt wurde.

Ein begleiteter Umgang müsse grundsätzlich die Ausnahme bleiben. Er sei anzuordnen, wenn gegen einen unbeaufsichtigten persönlichen Kontakt des umgangsberechtigten Elternteils mit dem Kind sachliche Bedenken bestünden. Die Anordnung der Anwesenheit einer mitwirkungsbereiten Vertrauensperson setze immer voraus, dass ohne diese Anordnung das Wohl des Kindes gefährdet wäre. W...

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