Juristisch dient der Umgang des Kindes mit den Eltern nach deren Trennung und/oder Scheidung dem Kindeswohl.

Das sehen Art 6. GG und §§ 1626 Abs. 3, 1684 BGB so vor. Das Kind ist Träger des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 1 i.V.m. Art. 2 GG. Heilmann führt[4] hierzu zutreffend aus, dass der einfachgesetzliche Begriff des "Kindeswohls" sowohl eine Generalklausel als auch einen unbestimmten Rechtsbegriff beinhaltet. Danach liegt ein Vorrang der Kindesinteressen vor den Interessen anderer Beteiligter vor und beinhaltet sowohl eine Eingriffslegitimation als auch letztlich den maßgeblichen Entscheidungsmaßstab für das Familiengericht.

Seine Auslegung ist der permanenten Weiterentwicklung und somit auch der sich ändernden Entwicklung außerjuristischer Erkenntnisse, der Rechtspsychologie, Familienrechtspsychologie, forensischen Kinder- und Jugendpsychiatrie und der Pädagogik, sowie "dem Wandel des Zeitgeistes und der Sozialisation des Rechtsanwenders unterworfen".[5]

Diese Vorgabe ergibt sich u.a. durch die mehrfache ausdrückliche Verknüpfung von Umgang und Kindeswohl im Gesetz, so etwa bei der Formulierung der Kindeswohldienlichkeit von Umgangskontakten mit beiden Elternteilen (§ 1626 Abs. 3 BGB) und bei dem Kindeswohlerfordernis bzw. bei dem Erfordernis einer Kindeswohlgefährdung bei unterschiedlich einschneidenden Eingriffen in das Umgangsrecht (§ 1684 Abs. 4 BGB).[6]

Anderes gilt interessanterweise nur für leibliche Väter bei gleichzeitig bestehender rechtlicher Vaterschaft. Hier hat der leibliche Vater nur dann ein Recht auf Umgang, wenn er dem Kind gegenüber ein ernsthaftes Interesse gezeigt hat und der Umgang des leiblichen Vaters mit dem Kind dem Kindeswohl dient (§ 1686a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Das Kind ist nicht gefragt: Es hat weder ein Recht auf Umgang, noch wird es regelmäßig gefragt, ob es mit dem leiblichen Vater Kontakt haben möchte, wenn es sich im anhörungsfähigen Alter befindet.

Psychologisch stellt sich diese Ausgangslage als schwierig dar. Hat das Kind keine Beziehungen und keine Bindungen an den umgangsbegehrenden Elternteil, wird es zunächst – insbesondere bei Kindern unter drei Jahren – zu umgangsanbahnenden Kontakten (Umgangsbegleitung) mit Hilfe des Jugendamtes kommen müssen.

Vor allem fehlende Bindungen des Kindes (der Bindungsbegriff wird an dieser Stelle nach der Theorie von J. Bowlby benutzt und nicht als erweiterter Beziehungsbegriff im Gesetz, wie z.B. in § 1626 Abs. 3 BGB oder § 159 Abs. 2 FamFG) sollten allen Professionellen im Familiengerichtsverfahren auferlegen, vorsichtig und dosiert Umgangskontakte festzulegen und von einer Übernachtung des Kindes beim Umgangsberechtigten abzusehen.

Bindungen des Kindes an die Erwachsenen entstehen angesichts kontinuierlicher Beziehungen des Kindes mit diesen Erwachsenen bereits im ersten Lebensjahr (z.B. Eltern, Pflegeeltern, Großeltern etc.).

Die Dimension "Bindung" beinhaltet die elterliche Fähigkeit zur zuverlässigen, auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmten Vermittlung von emotionaler Geborgenheit durch

Feinfühligkeit,
kontinuierliche Pflege, Versorgung und Zuwendung,
Bindung (anbieten von emotionalen Beziehungen, einem der Kernbereiche der Bindung),
Körperkontakt,
Sprache,
Vermittlung von Regeln und Werten,
Förderung.[7]

Bindungen sind somit das Ergebnis vorangehender und fortdauernder intensiver, enger und tragfähiger emotionaler Beziehungen, die sich durch spezifische Interaktionen zwischen Kind und nahestehenden Personen entwickeln. Diese Personen sind zunächst zentrale Bezugspersonen des Kindes, die im Laufe der Zeit Bindungspersonen des Kindes werden.

Bindungen des Kindes repräsentieren innere Zustände erfahrungsbestimmter, d.h. erlernter, zeitlich relativ stabiler, aber veränderbarer Motivationssysteme, die das Erleben von Bedürfnisbefriedigung in emotionale Nähe, Sicherheit und Abhängigkeit umsetzen, wobei letztlich die emotionale Bindung das Überleben des Neugeborenen sichert. Darüber hinaus fungiert normalerweise die Bindungsperson als "sicherer emotionaler Hafen" des Säuglings.

Die aus dieser Entwicklung resultierenden inneren Arbeitsmodelle des Kindes, die sich bereits im ersten Lebensjahr heranbilden, also der kontinuierlich zur Verfügung stehenden Betreuungs- und Bezugspersonen wachsen zu Bindungspersonen heran, sodass das Kind sich bereits wenige Monate nach der Geburt, nach einer Beziehungsaufnahme und dem "Erwerb" von Bindung, eine sogenannte Sicherheitsbasis in Bezug auf diese Personen aneignet, die bei Trennungen, Kümmernissen, Schmerzen und Notfällen aufgesucht werden.

Dabei werden für jede einzelne Bindungsperson eigenständige und unterschiedliche Arbeitsmodelle entwickelt. Ein derartiges Arbeitsmodell entwickelt sich im Laufe der Zeit im Kind zu einer psychischen Repräsentanz durch die Darbietung von speziellen Bindungsrepräsentationen (z.B. feinfühlig oder feindlich; liebevoll oder abweisend) der Bindungsperson.

Obwohl sich im Laufe der Lebensspanne des Kindes diese erworbenen Bindungsqualitäten, die zu B...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge