Mit dieser ersten höchstrichterlichen Entscheidung zur Ausstrahlung der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare auf andere Rechtsbereiche hat es der BGH abgelehnt, dem in die Ehe zweier Frauen hineingeborenen Kind die Ehefrau seiner Mutter kraft Abstammungsrechts als weiteren Elternteil zuzuordnen. Es ging um ein Personenstandsverfahren, das den Antrag der Ehefrau der Geburtsmutter auf Berichtigung des – nur die Geburtsmutter als Mutter ausweisenden – Geburtseintrags gemäß §§ 48 ff. PStG zum Gegenstand hatte. Die Ehefrau der Geburtsmutter könnte ihre Mit-Mutterschaft auch im Wege eines Antrags auf Feststellung eines Eltern-Kind-Verhältnisses nach § 169 Nr. 1 FamFG geltend machen.[1] Virulent werden kann die Problematik ferner in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren, das ein Mann mit der eidesstattlichen Versicherung, der Geburtsmutter in der Empfängniszeit beigewohnt zu haben, einleiten könnte und das von vornherein ohne Erfolgsaussicht ist, wenn man aufgrund einer Mit-Mutterschaft der Ehefrau die Sperrwirkung der anderweitigen Elternschaft gemäß §§ 1600d Abs. 1, 1592 Nr. 1 BGB greifen lässt.

Überzeugend verneint der BGH eine unmittelbare Anwendbarkeit des § 1592 Nr. 1 BGB (Vater-Kind-Zuordnung kraft Ehe mit der Mutter) unter Verweis auf den klaren, auf die Vaterschaft und auf Männer bezogenen Wortlaut der Norm. Die hierdurch gezogene Wortsinngrenze steht einer (verfassungskonform) erweiternden Auslegung der Norm entgegen. Was die Frage einer analogen Anwendung der Vorschrift betrifft, erscheint es indes durchaus nicht zwingend, dass es schon wegen einer bewussten Abstandnahme des Gesetzgebers von einer Reform des Abstammungsrechts im Zuge der Normierung der "Ehe für alle" an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke fehlt, wie der BGH ausführt. Denn angesichts des sehr raschen Gesetzgebungsverfahrens im anbrandenden Bundestagswahlkampf 2017 liegt die Annahme nicht fern, dass der Gesetzgeber seinerzeit die konkreten Folgewirkungsprobleme nicht in den Blick genommen hat. Wenn die Bundesregierung, die den Gesetzentwurf in den Bundestag einbrachte, das Ziel verfolgte, bestehende Diskriminierungen gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften in allen gesellschaftlichen Bereichen zu beenden,[2] die Reform also auf eine vollständige Gleichstellung verschieden- und gleichgeschlechtlicher Paare gerichtet war,[3] spricht einiges dafür, dass ein unveränderter Fortbestand derjenigen gesetzlichen Bestimmungen, die an gleichgeschlechtliche Ehen andere Rechtsfolgen knüpfen als an verschiedengeschlechtliche Ehen, nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprach.

Darauf kommt es aber nicht an, weil man im Hinblick auf Gesamtkonzeption und Zielrichtung der zu beurteilenden Regelungsmaterie, des Abstammungsrechts, von der der Gesetzgeber auch im Rahmen der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare nicht erkennbar abgerückt ist, jedenfalls keine Planwidrigkeit einer entsprechenden Regelungslücke feststellen[4] und auch nicht von der für einen Analogieschluss weiterhin notwendigen Vergleichbarkeit der Regelungssachverhalte ausgehen kann. Denn das Abstammungsrecht bezweckt, Kinder nach Maßgabe der biologischen Umstände einem Vater und einer Mutter zuzuordnen,[5] und knüpft folgerichtig an die biologische Herkunft des Kindes an.[6] Für eine solche Anknüpfung ist bei der Ehefrau der Geburtsmutter aber gerade kein Raum, weshalb die Geburt eines Kindes in eine Ehe zweier Frauen nicht mit der Geburt eines Kindes in eine verschiedengeschlechtliche Ehe vergleichbar ist. Insoweit kommt maßgeblich zum Tragen, dass es sich bei § 1592 Nr. 1 BGB um eine Norm des Abstammungsrechts und nicht um eine allgemein elternschaftsbegründende Bestimmung handelt.

Eine Verfassungswidrigkeit dieser Gesetzeslage ist im Hinblick auf das Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG und das Elterngrundrecht aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG nicht zu erkennen. Der diesbezüglichen Argumentation des BGH ist auf der Grundlage der Bestimmung des Schutzbereichs dieser Gewährleistungen durch das BVerfG in seiner Entscheidung zur Sukzessivadoption durch eingetragene Lebenspartner[7] in jeder Hinsicht zu folgen. Danach gibt den Ausschlag, dass das tatsächliche Zusammenleben in einer Familie mit dem Kind von der Vorenthaltung der rechtlichen Elternstellung nicht unmittelbar betroffen wird und die Ehefrau der Geburtsmutter mangels rechtlicher und biologischer Elternstellung nicht dem Schutzbereich des Elterngrundrechts unterfällt.[8]

Nicht von vornherein von der Hand zu weisen ist indes das Verdikt der Gleichheitswidrigkeit i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Denn im Ergebnis existieren nunmehr, bezogen auf die abstammungsrechtlichen Wirkungen, Ehen erster und zweiter Klasse. Dies erscheint auch unter Berücksichtigung der spezifischen Wertungen des Abstammungsrechts nicht unbedenklich, wenn man Eheleute betrachtet, die ihren Kinderwunsch mit Hilfe einer Samenspende verwirklichen: In der Vergleichsgruppe der verschiedengeschlechtlichen Eheleute wird der nicht leibliche Elternteil...

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