Das Bundesverfassungsgericht greift in seiner Entscheidung erneut die verfassungsrechtlichen Anforderungen für die Verweigerung von Verfahrenskostenhilfe auf und nimmt in dem der verfassungsgerichtlichen Hauptsacheentscheidung vorausgehenden einstweiligen Anordnungsverfahren[1] auch zum Verhältnis zwischen Verfahrenskostenhilfe- und dem Hauptsacheverfahren Stellung.

Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung bewegt sich das BVerfG innerhalb seiner bisherigen Rechtsprechung. Danach gebietet das Gebot der Rechtsschutzgleichheit im Bereich der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Weniger Bemittelten darf die Rechtsverfolgung und -verteidigung nicht unverhältnismäßig erschwert werden.[2] Das BVerfG greift jedoch nur dann ein, wenn Verfahrensrecht verletzt ist, insbesondere wenn die angegriffene Entscheidung Fehler erkennen lässt, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Bedeutung der grundrechtlich verbürgten Rechtsschutzgleichheit beruhen.[3] Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn die Fachgerichte die Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung bzw. der Rechtsverteidigung überspannen und damit einem unbemittelten Beteiligten im Vergleich zu Bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird.[4] Erfüllt sind diese Voraussetzungen insbesondere bei erheblichen Begründungsmängeln fachgerichtlicher VKH-Entscheidungen bzw. schweren Auslegungsfehlern der maßgeblichen Normen.

Im Einzelfall ist die Prüfung des BVerfG intensiver, als dieser Obersatz zunächst vermuten lässt. Gerade bei der Frage der Leistungsfähigkeit von Unterhaltsschuldnern gegenüber minderjährigen Kindern im Rahmen von § 1603 BGB erfolgt zum Teil eine detaillierte Auseinandersetzung mit fachgerichtlichen Fragen und den Feststellungen der Familiengerichte.[5]

Im entschiedenen Fall sind die Voraussetzungen für ein Eingreifen des BVerfG sicherlich erfüllt. Insbesondere der Umstand, dass das Familiengericht in Verkennung von §§ 10 Abs. 1, 114 Abs. 4 Nr. 5 FamFG den Vortrag des Antragsgegners zur Begründung seines Verfahrenskostenhilfeantrags von vornherein nicht berücksichtigt hat und ihm damit die Möglichkeit des Rechtsschutzes nimmt, stellt einen erheblichen Auslegungsfehler dar.

In dem der Hauptsacheentscheidung des BVerfG vorausgehenden einstweiligen Anordnungsverfahren hat es darauf hingewiesen, dass es den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtsschutzgleichheit widersprechen kann, wenn das Familiengericht den vom Antragsgegner persönlich gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag nicht zum Anlass genommen hat, den Versäumnisbeschluss bis zur Entscheidung über diesen VKH-Antrag zurückzustellen.

Dies entspricht auch der überwiegenden Auffassung in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur.[6] Denn wenn zum Hauptsachetermin über ein frühzeitig gestelltes und entscheidungsreifes VKH-Gesuch noch nicht entschieden wurde, besteht ein Anspruch auf Vertagung.[7] Dies gilt ebenso, wenn erst im oder kurz vor dem Termin das VKH-Gesuch abgelehnt wird.[8] Sowohl für den Fall, dass ein VKH-Antrag unmittelbar vor dem Termin abgewiesen wird, wie auch dann, wenn über ihn vor dem Termin noch nicht entschieden wurde, ist das Nichtverhandeln schuldlos. Ein Versäumnisbeschluss darf nicht ergehen.[9]

Noch nicht abschließend geklärt ist, wie zu verfahren ist, wenn gegen einen ablehnenden VKH-Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt wird. Einen generellen Ablaufvorrang dieses Beschwerdeverfahrens vor dem Hauptsacheverfahren lehnt der BGH ab.[10] Die Besonderheit an dem vom BGH entschiedenen Fall war, dass sich der Rechtsanwalt – trotz fehlender abschließender Entscheidung über den VKH-Antrag – im Hauptsachetermin auf die Erörterung in der Sache eingelassen hatte. Folgerichtig hat der BGH angenommen, dass das Nichtverhandeln seine Ursache nicht in der fehlenden Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe hat, da durch die Erörterung bereits Gebühren nach dem RVG entstanden sind.

Mit dem Hauptsacheverfahren muss bei erstinstanzlicher Versagung von Verfahrenskostenhilfe und einer daraufhin eingelegten sofortigen Beschwerde des um Verfahrenskostenhilfe nachsuchenden Beteiligten nur dann innegehalten werden, wenn die Bedürftigkeit des unbemittelten Beteiligten die Vornahme von Verfahrenshandlungen unmöglich oder unzumutbar erschweren würde.[11] Dies dürfte in dem vom BVerfG entschiedenen Fall gegeben sein. Der Antragsgegner hatte hier keinen Rechtsanwalt, der bereit gewesen wäre, ihn ohne gesicherte Vergütung im Hauptsacheverfahren zu vertreten. Damit war er nicht in der Lage, im erstinstanzlichen Hauptsacheverfahren wirksame Verfahrenshandlungen vorzunehmen.

Für den Fall, dass ein um Verfahrenskostenhilfe nachsuchender Beteiligter bereits einen Rechtsanwalt hat, sollte dieser einen etwaigen Termin nicht wahrnehmen, sondern dem Gericht mitteilen, dass er mangels Bewilligung von Verfahrenskostenhil...

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