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Mit dem AÜG wird das Ziel verfolgt, die Arbeitnehmerüberlassung sozial auszugestalten. Das AÜG setzt die europäische Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit um.

1. § 1 Arbeitnehmerüberlassung, Erlaubnispflicht

1.1 Grundsätzliches zur Erlaubnispflicht nach § 1

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(1) § 1 verfolgt in erster Linie das Ziel, für die Arbeitnehmerüberlassung rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Anforderungen eines sozialen Rechtsstaats genügen (BT-Drs. 6/2303, S. 9f.). Arbeitnehmerüberlassung im Rahmen wirtschaftlicher Tätigkeit ist grundsätzlich verboten, es sei denn, der Verleiher verfügt über eine entsprechende Erlaubnis (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt).

 

(2) Die Arbeitnehmerüberlassung wird innerhalb eines Dreipersonenverhältnisses abgewickelt, an dem Verleiher, Entleiher und der zu verleihende Arbeitnehmer (Leiharbeitnehmer) beteiligt sind. Zwischen Verleiher und Entleiher wird der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag geschlossen, mit dem sich der Verleiher verpflichtet, dem Entleiher vorübergehend (§ 1 Abs. 1 S. 4) einen geeigneten Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung zu verschaffen. Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers ist der Verleiher, so bleibt es auch während der Überlassungszeit.

1.1.1 Geltungsbereich der Erlaubnispflicht nach dem AÜG

 

(1) Räumlich beschränkt sich der Geltungsbereich der Erlaubnispflicht des AÜG nach dem Territorialitätsprinzip auf die Bundesrepublik Deutschland. Hierzu gehören auch unter der Bundesflagge fahrende Schiffe und Luftfahrzeuge.

 

(2) Innerhalb Deutschlands gilt das AÜG für das Tätigwerden einheimischer wie ausländischer Verleiher gleichermaßen. Erfasst wird daher der Verleih in Deutschland, sowie nach Deutschland hinein und aus Deutschland heraus. Nicht erfasst ist der Verleih durch einen ausländischen Verleiher an einen inländischen Entleiher, wenn der Leiharbeitnehmer ausschließlich im Ausland eingesetzt wird.

 

(3) Der gegenständliche Geltungsbereich ist vielfach eingeschränkt und durch wichtige Bereichsausnahmen gestaltet. Insoweit wird auf § 1 Abs. 1a und § 1 Abs. 3 verwiesen.

1.1.2 Begriffsbestimmungen

 

(1) Das Gesetz bezeichnet als Verleiher denjenigen, der Arbeitnehmer überlässt (§ 1 Abs. 1). Verleiher kann jeder sein, der auch Arbeitgeber sein kann, z. B. natürliche und juristische Personen, Personengesellschaften und -gesamtheiten. Ändert sich die Rechtsform eines Arbeitgebers, kann dies Auswirkungen auf eine erteilte Erlaubnis haben (FW 7.2).

 

(2) Der legale Verleiher ist Arbeitgeber im arbeitsrechtlichen Sinne. Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Arbeitsrechts zu beurteilen. Der Verleiher hat mit der Beschäftigung eines Leiharbeitnehmers das Arbeitgeberrisiko und die Arbeitgeberpflichten insbesondere nach dem Arbeits-, Steuer- und Sozialversicherungsrecht (FW 3.) zu übernehmen. Erfüllt er diese Pflichten nicht, kann die Vermittlungsvermutung nach § 1 Abs. 2 zutreffen. Unabhängig davon kann sich die Frage der Zuverlässigkeit im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 stellen.

 

(3) Dem Entleiher ("Dritten") werden die Leiharbeitnehmer vom Verleiher zur Arbeitsleistung überlassen. Als Entleiher kommt mit Ausnahme des Verleihers jeder in Betracht, der als Rechtssubjekt selbst Arbeitgeber sein könnte. Die rechtliche Organisationsform ist wie beim Verleiher für die Entleihereigenschaft ohne Belang.

 

(4) Als Entleiherbetrieb ist der Betrieb anzusehen, der aufgrund Aufgabenbereich und Organisation eigenständig handelt und zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern der überlassenen Art berechtigt ist.

 

(5) Leiharbeitnehmer kann jeder sein, der auch Arbeitnehmer sein kann. Für das AÜG ist der allgemeine arbeitsrechtliche Arbeitnehmerbegriff maßgeblich (zur Gestellung von Mitgliedern einer DRK-Schwesternschaft siehe Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 21.02.2017 – 1 ABR 62/12). Kennzeichnend für die Arbeitnehmereigenschaft ist die persönliche Abhängigkeit, also die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Arbeitstätigkeit (vgl. § 611a Abs. 1 BGB). Auf die sozialversicherungs- oder steuerrechtliche Beurteilung kommt es nicht allein an, dennoch kommt der Abführung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben Indizwirkung zu. Arbeitnehmer können auch in Teilzeit oder geringfügig Beschäftigte (§ 8 SGB IV) und Personen, die "Dienste höherer Art" leisten (z. B. Architekten) sein. Zur Abgrenzung des Einsatzes eines Arbeitnehmers als Leiharbeitnehmer oder als Erfüllungsgehilfe im Rahmen eines selbständigen Dienst- oder Werkvertrages siehe FW 1.1.6.

 

(6) Arbeitnehmer sind auch Personen, die formal wie Selbständige auftreten, tatsächlich aber abhängig Beschäftigte sind (Scheinselbständige). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (§ 611a Abs. 1 Satz 6 BGB). Der Arbeitgeber/Verleiher hat die Pflicht zu prüfen, ob ein Auftragnehmer als Arbeitnehmer bei ihm abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist. Im Zweifelsfall kann ein Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV beantragt werden (Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund in 10704 Berlin). Im Gegens...

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