10.1 Formwirksamkeit

Gemäß Art. 75 EuErbVO lässt die Verordnung internationale Abkommen unberührt. Entsprechend richtet sich die Beurteilung der Formwirksamkeit von Testamenten weiterhin nach dem Haager Testamentsformübereinkommen vom 5.10.1961[28], dessen Regelungen in Art. 27 EuErbVO übernommen wurden. So ist sichergestellt, dass die Fragen zur Formgültigkeit einer schriftlichen Verfügung von Todes wegen in allen europäischen Staaten einheitlich behandelt werden.

[28] BGBl 1965 II S. 1145; in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 1. Januar 1966, BGBl II S. 11.

10.2 Materielle Wirksamkeit

Die Wirksamkeit des Testaments nach materiellem Recht, zum Beispiel die Testierfähigkeit des Erblassers oder die Anfechtbarkeit des Testaments, richtet sich nach den jeweils gemäß der Europäischen Erbrechtsverordnung anzuwendenden nationalen materiellen Recht, demnach dem Recht des Mitgliedstaates, in dem sich der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers befunden hat bzw. dem stattdessen gewählten Staatsangehörigkeitsrecht.

10.3 Praktische Fälle zur Rechtswahl nach der Europäischen Erbrechtsverordnung

Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte eine materielle Rechtswahl sowohl auf die Beurteilung der Zulässigkeit, der materiellen Wirksamkeit des Testaments, als auch auf das gewünschte anzuwendende materielle Recht abzielen.

In der Praxis kommen insbesondere die nachfolgenden Fallgruppen in Betracht.

10.3.1 Deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland

Will ein deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland ein Testament errichten und besteht keine Absicht, letzteren durch einen Umzug ins Ausland zu verlegen, ist eine Rechtswahl grundsätzlich nicht angezeigt. Dennoch ist es sinnvoll, auch in diesen Fällen – neben der bereits üblichen Feststellung der eigenen Staatsangehörigkeit – den gewöhnlichen Aufenthalt und dessen Beibehaltungsabsicht deklaratorisch festzuhalten. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass sich der Testator mit der Frage der Verlegung des gewöhnlichen Aufenthalts auseinander gesetzt hat bzw. eventuelle Pläne berücksichtigt werden bzw. wurden.

In diesen Fällen bietet sich folgende Formulierung an:

 
Praxis-Beispiel

Formulierungsbeispiel deklaratorische Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts

"Ich bin ausschließlich deutscher Staatsangehöriger und habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Diesen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland möchte ich dauerhaft bis zu meinem Tod beibehalten."

Kommt hingegen eine spätere Verlegung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Testators in Betracht, ist in jedem Fall empfehlenswert eine entsprechende Rechtswahl mit aufzunehmen. Besteht etwa der Wunsch den Ruhestand in einem anderen europäischen Land zu verbringen oder ist im Pflegefall ein Umzug in ein entsprechendes Heim im Ausland angedacht, macht eine derartige testamentarische Klausel Sinn. Gleiches gilt für Fälle, in denen ein berufsbedingter Umzug in Frage kommt.

In diesen Fällen ist folgende Formulierung denkbar:

 
Praxis-Beispiel

Formulierungsbeispiel

"Ich bin ausschließlich deutscher Staatsangehöriger und habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Diesen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland möchte ich dauerhaft bis zu meinem Tod beibehalten. Vorsorglich wähle ich für die Zulässigkeit und materielle Wirksamkeit meiner Verfügungen von Todes wegen und die Rechtsnachfolge von Todes wegen nach meinem Tod das deutsche Recht. Mein gesamter Nachlass soll nach deutschem Recht vererbt werden. Diese Rechtswahl soll auch dann weiterhin Gültigkeit haben, wenn ich meinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland habe."

10.3.2 Deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland – Kriterien der Rechtswahl

Hat ein deutscher Staatsangehöriger seinen gewöhnlichen Aufenthalt im EU-Ausland, stellt sich unweigerlich die Frage nach dem zu wählenden Recht.

Das deutsche Recht wird grundsätzlich immer dann sinnvoll sein, wenn im Rahmen der Testamentsgestaltung bestimmte Absichten nur nach rechtlichen Instrumentarien des deutschen Rechts umsetzbar sind. So kennt beispielsweise nicht jedes europäische Rechtssystem die Möglichkeit der Testamentsvollstreckung oder die Vor- und Nacherbfolge. Auch die Pflichtteilsprävention kann dabei eine entscheidende Rolle spielen, da dieses bzw. das Noterbrecht in den nationalen Gesetzen uneinheitlich geregelt ist. Ferner kann ein Kriterium für die Wahl der deutschen Rechtsordnung sein, dass sich das Vermögen des Testators vornehmlich in der Bundesrepublik Deutschland befindet, so dass die Abwicklung auf Grund der nationalen Zuständigkeit entsprechend gewährleistet ist.

Die Frage nach der Wahl des "richtigen" Rechts erfordert im Einzelfall genaue Kenntnisse der zur Wahl stehenden Rechtsordnungen. Gerade unter Haftungsgesichtspunkten ist diese Thematik für Berater (Rechtsanwälte und Notare) mit besonderer Vorsicht zu genießen.

Wählt ein deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt im EU-Ausland auf Grundlage der vorbenannten Kriterien das deutsche Recht, bietet sich folgende Formulierung für die Rechtswahl an:

 
Praxis-Beispiel

Formulierungsbeispiel

"Ich bin ausschließlich deutscher Staatsangehöriger und habe meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Diesen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich möchte ich dauerhaf...

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