Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge. Mautgebühren. Grundsatz der Anlastung von Infrastrukturkosten. Infrastrukturkosten. Betriebskosten. Kosten der Verkehrspolizei. Überschreitung der Kosten. Unmittelbare Wirkung. Nachträgliche Rechtfertigung eines überhöhten Mautgebührensatzes. Beschränkung der zeitlichen Wirkung des Urteils

 

Normenkette

Richtlinie 1999/62/EG; Richtlinie 2006/38/EG Art. 7a Abs. 2, 1, Art. 7 Abs. 9

 

Beteiligte

Bundesrepublik Deutschland (Détermination des taux des péages pour l'utilisation d'autoroutes)

BY

CZ

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge in der durch die Richtlinie 2006/38/EG des Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Kosten der Verkehrspolizei nicht unter den Begriff der „Kosten für [den] Betrieb” im Sinne dieser Bestimmung fallen.

2. Art. 7 Abs. 9 der Richtlinie 1999/62 in der durch die Richtlinie 2006/38 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem entgegensteht, dass die gewogenen durchschnittlichen Mautgebühren die Infrastrukturkosten des betreffenden Verkehrswegenetzes wegen nicht unerheblicher Berechnungsfehler oder wegen der Berücksichtigung von Kosten, die nicht unter den Begriff der „Infrastrukturkosten” im Sinne dieser Bestimmung fallen, um 3,8 % bzw. 6 % übersteigen.

3. Der Einzelne kann sich vor den nationalen Gerichten gegenüber einem Mitgliedstaat unmittelbar auf die Verpflichtung aus Art. 7 Abs. 9 und Art. 7a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 1999/62 in der durch die Richtlinie 2006/38 geänderten Fassung, ausschließlich die Infrastrukturkosten im Sinne von Art. 7 Abs. 9 zu berücksichtigen, berufen, wenn der Mitgliedstaat dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist oder sie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

4. Die Richtlinie 1999/62 in der durch die Richtlinie 2006/38 geänderten Fassung ist im Hinblick auf Rn. 138 des Urteils vom 26. September 2000, Kommission/Österreich (C-205/98, EU:C:2000:493), dahin auszulegen, dass sie dem entgegensteht, dass ein überhöhter Mautgebührensatz durch eine im gerichtlichen Verfahren eingereichte Neuberechnung der Infrastrukturkosten nachträglich gerechtfertigt wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. März 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2019, in dem Verfahren

BY,

CZ

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Richterin C. Toader sowie der Richter M. Safjan und N. Jääskinen,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 4. März 2020,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von CZ und BY, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Pfnür und A. Winczura,
  • der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Hilf, F. Montag und M. Schleifenbaum,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch D. Klebs und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juni 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Abs. 9 und Art. 7a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (ABl. 1999, L 187, S. 42) in der durch die Richtlinie 2006/38/EG des Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 (ABl. 2006, L 157, S. 8) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 1999/62 in der geänderten Fassung).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BY und CZ einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits wegen des Antrags von BY und CZ auf Rückerstattung von Mautgebühren, die für die Benutzung der deutschen Bundesautobahnen entrichtet wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 der Richtlinie 1999/62 in der geänderten Fassung bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

  1. ‚transeuropäisches Straßennetz’ das in Anhang I Abschnitt 2 der Entscheidung Nr. 1692/96/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 1996 über gemeinschaftliche Leitlinien für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes [(ABl. 1996, L 228, S. 1) – zuletzt geändert durch die Verordnung Nr. 1791/2006 des Rates vom 20. November 2006 (ABl. 2006, L 363, S. 1)] festgelegte und auf Karten...

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