Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Europäischer Haftbefehl. Begriff ‚ausstellende Justizbehörde’. Vom Generalstaatsanwalt eines Mitgliedstaats ausgestellter Europäischer Haftbefehl. Status. Gewähr für Unabhängigkeit

 

Normenkette

Rahmenbeschluss 2002/584/JI Art. 6 Abs. 1

 

Beteiligte

PF (Procureur général de Lituanie)

PF

 

Tenor

Der Begriff ”ausstellende Justizbehörde” im Sinne von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass darunter der als eine strukturell von der Judikative unabhängige Stelle für die Verfolgung von Straftaten zuständige Generalstaatsanwalt eines Mitgliedstaats fällt, dessen Status in diesem Mitgliedstaat ihm eine Gewähr für Unabhängigkeit gegenüber der Exekutive im Rahmen der Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls verschafft.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Oberster Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 31. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 6. August 2018, in einem Verfahren betreffend die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls gegen

PF

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras und T. von Danwitz, der Kammerpräsidentin C. Toader, des Kammerpräsidenten F. Biltgen, der Kammerpräsidentin K. Jürimäe (Berichterstatterin), des Kammerpräsidenten C. Lycourgos sowie der Richter L. Bay Larsen, M. Safjan, D. Šváby, S. Rodin und I. Jarukaitis,

Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. März 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von PF, vertreten durch J. Ferry, BL, und R. Munro, SC, im Auftrag von D. Rudden und E. Rudden, Solicitors,
  • des Minister for Justice and Equality, vertreten durch J. Quaney, M. Browne, G. Hodge und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von B. M. Ward, A. Hanrahan und J. Benson, BL, und von P. Caroll, SC,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch P. Z. L. Ngo und J. Nymann-Lindegren als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, zunächst vertreten durch T. Henze, J. Möller, M. Hellmann und A. Berg als Bevollmächtigte, dann durch M. Hellmann, J. Möller und A. Berg als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, D. Dubois und E. de Moustier als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Faraci, avvocato dello Stato,
  • der litauischen Regierung, vertreten durch V. Vasiliauskienė, J. Prasauskienė, G. Taluntytė und R. Krasuckaitė als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und Z. Wagner als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse, K. Ibili und J. Schmoll als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Troosters, J. Tomkin und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. April 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (ABl. 2002, L 190, S. 1) in der durch den Rahmenbeschluss 2009/299/JI des Rates vom 26. Februar 2009 (ABl. 2009, L 81, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenbeschluss 2002/584).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls in Irland. Der Haftbefehl wurde am 18. April 2014 vom Lietuvos Respublikos generalinis prokuroras (Generalstaatsanwalt der Republik Litauen, im Folgenden: Generalstaatsanwalt von Litauen) zur Strafverfolgung von PF in Litauen erlassen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 5, 6, 8 und 10 des Rahmenbeschlusses 2002/584 lauten:

„(5) Aus dem der Union gesetzten Ziel, sich zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu entwickeln, ergibt sich die Abschaffung der Auslieferung zwischen Mitgliedstaaten und deren Ersetzung durch ein System der Übergabe zwischen Justizbehörden. Die Einführung eines neuen, vereinfachten Systems der Übergabe von Personen, die einer Straftat verdächtigt werden oder wegen einer Straftat verurteilt worden sind, für die Zwecke der strafrechtlichen Verfolgung oder der Vollstreckung strafrecht...

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