Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. Beurteilung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln. Ausschluss von Klauseln, die den Hauptgegenstand des Vertrags oder die Angemessenheit des Preises oder des Entgelts betreffen, sofern sie klar und verständlich abgefasst sind. Klauseln, die eine vom Kreditgeber erhobene ‚Risikoprovision’ zum Gegenstand haben und diesen ermächtigen, den Zinssatz unter bestimmten Voraussetzungen einseitig zu ändern

 

Normenkette

Richtlinie 93/13/EWG Art. 4 Abs. 2

 

Beteiligte

Matei

Bogdan Matei

Ioana Ofelia Matei

SC Volksbank România SA

 

Tenor

Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen ist dahin auszulegen, dass die Ausdrücke „Hauptgegenstand des Vertrags” und „Angemessenheit zwischen dem Preis bzw. dem Entgelt und den Dienstleistungen bzw. den Gütern, die die Gegenleistung darstellen” unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Arten von Klauseln in Kreditverträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die es zum einen dem Kreditgeber gestatten, unter bestimmten Voraussetzungen den Zinssatz einseitig zu ändern, und zum anderen eine von diesem erhobene „Risikoprovision” vorsehen, grundsätzlich nicht erfassen. Das vorlegende Gericht hat diese Qualifizierung der genannten Vertragsklauseln jedoch unter Berücksichtigung der Natur, der Systematik und der Bestimmungen der betreffenden Verträge sowie des rechtlichen und tatsächlichen Kontexts, in den diese eingebettet sind, zu prüfen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Specializat Cluj (Rumänien) mit Entscheidung vom 26. November 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 20. März 2013, in dem Verfahren

Bogdan Matei,

Ioana Ofelia Matei

gegen

SC Volksbank România SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe, des Richters M. Safjan und der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin),

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der SC Volksbank România SA, vertreten durch D. Ciubotariu, G. Murgulescu, G. Vintilă, M. Clough, QC, und Rechtsanwalt B. Papandopol,
  • der rumänischen Regierung, vertreten durch R.-H. Radu und I.-R. Haţieganu als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Gheorghiu, M. Owsiany-Hornung und M. van Beek als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, S. 29).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn und Frau Matei (im Folgenden zusammen: Kreditnehmer) einerseits und der SC Volksbank România SA (im Folgenden: Volksbank) andererseits über die angebliche Missbräuchlichkeit von in einem Verbraucherkreditvertrag enthaltenen Klauseln, die zum einen eine von der Volksbank erhobene „Risikoprovision” vorsehen und zum anderen die Volksbank ermächtigen, den Zinssatz unter bestimmten Voraussetzungen einseitig zu ändern.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 93/13

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 12, 19 und 20 der Richtlinie 93/13 heißt es:

„Beim derzeitigen Stand der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften kommt … nur eine teilweise Harmonisierung in Betracht. So gilt diese Richtlinie insbesondere nur für Vertragsklauseln, die nicht einzeln ausgehandelt wurden. Den Mitgliedstaaten muss es freigestellt sein, dem Verbraucher unter Beachtung des [EWG-]Vertrags einen besseren Schutz durch strengere einzelstaatliche Vorschriften als den in dieser Richtlinie enthaltenen Vorschriften zu gewähren.

Für die Zwecke dieser Richtlinie dürfen Klauseln, die den Hauptgegenstand eines Vertrages oder das Preis-/Leistungsverhältnis der Lieferung bzw. der Dienstleistung beschreiben, nicht als missbräuchlich beurteilt werden. Jedoch können der Hauptgegenstand des Vertrages und das Preis-/Leistungsverhältnis bei der Beurteilung der Missbräuchlichkeit anderer Klauseln berücksichtigt werden. …

Die Verträge müssen in klarer und verständlicher Sprache abgefasst sein. Der Verbraucher muss tatsächlich die Möglichkeit haben, von allen Vertragsklauseln Kenntnis zu nehmen. …”.

Rz. 4

Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:

„Zweck dieser Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über missbräuchliche Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern.”

Rz. 5

In Art. 3 der Richtlinie heißt es:

„(1) Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzus...

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