Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen. Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b. Zuständigkeit, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden. Bestimmung des Erfüllungsorts der Verpflichtung. Kriterien zur Abgrenzung zwischen ‚Verkauf beweglicher Sachen’ und ‚Erbringung von Dienstleistungen’

 

Beteiligte

Car Trim

Car Trim GmbH

KeySafety Systems Srl

 

Tenor

1. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender Ware auch bei bestimmten Vorgaben des Auftraggebers zu Beschaffung, Verarbeitung und Lieferung der Ware, ohne dass die Stoffe von diesem zur Verfügung gestellt wurden, und auch wenn der Lieferant für die Qualität und die Vertragsgemäßheit der Ware haftet, als „Verkauf beweglicher Sachen” im Sinne von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich dieser Verordnung einzustufen sind.

2. Art. 5 Nr. 1 Buchst. b erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 44/2001 ist dahin auszulegen, dass bei Versendungskäufen der Ort, an dem die beweglichen Sachen nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen, auf der Grundlage der Bestimmungen dieses Vertrags zu bestimmen ist. Lässt sich der Lieferort auf dieser Grundlage ohne Bezugnahme auf das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht nicht bestimmen, ist dieser Ort derjenige der körperlichen Übergabe der Waren, durch die der Käufer am endgültigen Bestimmungsort des Verkaufsvorgangs die tatsächliche Verfügungsgewalt über diese Waren erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 22. August 2008, in dem Verfahren

Car Trim GmbH

gegen

KeySafety Systems Srl

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), G. Arestis und T. von Danwitz,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der KeySafety Systems Srl, vertreten durch Rechtsanwalt C. von Mettenheim,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Kemper als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von A. Henshaw, Barrister,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A.-M. Rouchaud-Joët und S. Grünheid als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. September 2009

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1, im Folgenden: Verordnung), insbesondere die Frage, wie Verträge über den „Verkauf beweglicher Sachen” und Verträge über die „Erbringung von Dienstleistungen” voneinander abzugrenzen sind, sowie die Frage, wie bei Versendungskäufen der Erfüllungsort zu ermitteln ist.

Rz. 2

Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Car Trim GmbH (im Folgenden: Car Trim) und der KeySafety Systems Srl (im Folgenden: KeySafety) über die vertraglichen Verpflichtungen der Parteien betreffend die Lieferung von Komponenten für die Herstellung von Airbagsystemen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Nach Art. 68 Abs. 1 der am 1. März 2002 in Kraft getretenen Verordnung ersetzt diese im Verhältnis zwischen allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks das Brüsseler Übereinkommen aus 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 1972, L 299, S. 32) in der durch die nachfolgenden Übereinkommen über den Beitritt neuer Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen geänderten Fassung.

Rz. 4

Nach ihrem zweiten Erwägungsgrund bezweckt die Verordnung, im Interesse eines reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts „die Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen zu vereinheitlichen und die Formalitäten im Hinblick auf eine rasche und unkomplizierte Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus den durch diese Verordnung gebundenen Mitgliedstaaten zu vereinfachen”.

Rz. 5

Im elften und im zwölften Erwägungsgrund wird zum Verhältnis zwischen den verschiedenen Zuständigskeitsregeln und zu ihren...

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