Entscheidungsstichwort (Thema)

Selbständige Handelsvertreter. Richtlinie 86/653/EWG. Anspruch des Handelsvertreters auf einen Ausgleich nach Beendigung des Vertragsverhältnisses

 

Beteiligte

Honyvem Informazioni Commerciali

Honyvem Informazioni Commerciali Srl

Mariella De Zotti

 

Tenor

1. Artikel 19 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass der Ausgleich wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses, der sich bei Anwendung des Artikels 17 Absatz 2 dieser Richtlinie ergibt, nicht in Anwendung eines Tarifvertrags durch einen Ausgleich ersetzt werden kann, der sich nach anderen als den in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien bestimmt, es sei denn, es ist nachgewiesen, dass die Anwendung eines solchen Tarifvertrags dem Handelsvertreter in jedem Fall einen Ausgleich garantiert, der demjenigen, der sich bei Anwendung der genannten Bestimmung ergäbe, entspricht oder diesen übersteigt.

2. Die Mitgliedstaaten haben innerhalb des durch Artikel 17 Absatz 2 der Richtlinie 86/653 festgelegten Rahmens einen Gestaltungsspielraum, den sie insbesondere nach Maßgabe des Kriteriums der Billigkeit nutzen können.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht von der Corte suprema di cassazione (Italien) mit Entscheidung vom 11. Juni 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 3. November 2004, in dem Verfahren

Honyvem Informazioni Commerciali Srl

gegen

Mariella De Zotti

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter K. Schiemann, K. Lenaerts, E. Juhász und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Honyvem Informazioni Commerciali Srl, vertreten durch G. Prosperetti und C. del Pennino, avvocati,
  • von Frau De Zotti, vertreten durch F. Toffoletto, avvocato,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa als Bevollmächtigten im Beistand von G. Belotti, avvocato,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 25. Oktober 2005

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 17 und 19 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (ABl. L 382, S. 17, im Folgenden: Richtlinie).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Honyvem Informazioni Commerciali Srl (im Folgenden: Honyvem) und Frau De Zotti über die Höhe des Ausgleichs wegen Beendigung des Vertragsverhältnisses, den Honyvem Frau De Zotti aufgrund der Kündigung ihres Vertrages schuldet.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 17 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen dafür, dass der Handelsvertreter nach Beendigung des Vertragsverhältnisses Anspruch auf Ausgleich nach Absatz 2 oder Schadensersatz nach Absatz 3 hat.

(2)

  1. Der Handelsvertreter hat Anspruch auf einen Ausgleich, wenn und soweit

    • er für den Unternehmer neue Kunden geworben oder die Geschäftsverbindungen mit vorhandenen Kunden wesentlich erweitert hat und der Unternehmer aus den Geschäften mit diesen Kunden noch erhebliche Vorteile zieht und
    • die Zahlung eines solchen Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass zu diesen Umständen auch die Anwendung oder Nichtanwendung einer Wettbewerbsabrede im Sinne des Artikels 20 gehört.
  2. Der Ausgleich darf einen Betrag nicht überschreiten, der einem jährlichen Ausgleich entspricht, der aus dem Jahresdurchschnittsbetrag der Vergütungen, die der Handelsvertreter während der letzten fünf Jahre erhalten hat, errechnet wird; ist der Vertrag vor weniger als fünf Jahren geschlossen worden, wird der Ausgleich nach dem Durchschnittsbetrag des entsprechenden Zeitraums ermittelt.
  3. Die Gewährung dieses Ausgleichs schließt nicht das Recht des Handelsvertreters aus, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

(6) Die Kommission legt dem Rat innerhalb von acht Jahren nach Bekanntgabe dieser Richtlinie einen Bericht über die Durchführung dieses Artikels vor und unterbreitet ihm gegebenenfalls Änderungsvorschläge.”

4 Artikel 19 der Richtlinie sieht vor:

„Die Parteien können vor Ablauf des Vertrages keine Vereinbarungen treffen, die von Artikel 17 und 18 zum Nachteil des Handelsvertreters abweichen.”

Nationales Recht

5 Die Artikel 17 und 19 der Richtlinie wurden durch Artikel 1751 des Codice civile (italienisches Zivilgesetzbuch, im Folgenden: Codice civile) in das nationale Recht umgesetzt. Der Wortlaut dieser nationalen Vorschrift wurde durch das Decreto legislativo Nr. 303 vom 10. Septe...

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