Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Änderung der Abflugzeit. Verschiebung um etwa drei Stunden. Unterrichtung der Fluggäste neun Tage vor dem Abflug. Begriffe ‚Annullierung’ und ‚Verspätung’

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 261/2004 Art. 2 Buchst. L, Art. 5 Abs. 1

 

Beteiligte

Corendon Airlines

EP

GM

Corendon Airlines Turistik Hava Taşimacilik A.Ş

 

Tenor

Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein Flug nicht als „annulliert” im Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden kann, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen dessen Abflugzeit ohne sonstige Änderung des Fluges um weniger als drei Stunden verschiebt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. August 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 19. August 2020, in dem Verfahren

EP,

GM

gegen

Corendon Airlines Turistik Hava Taşimacilik A.Ş.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.-C. Bonichot und M. Safjan (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von EP und GM, vertreten durch Rechtsanwältin F. Puschkarski,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann und U. Kühne als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Pethke und K. Simonsson als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. September 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. l, Art. 5 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den EP und GM, zwei Fluggäste (im Folgenden: betreffende Fluggäste), gegen die Corendon Airlines Turistik Hava Taşimacilik A.Ş. (im Folgenden: Corendon Airlines) wegen deren Weigerung führen, den betreffenden Fluggästen einen Ausgleich für die Verlegung der ursprünglich vorgesehenen Abflugzeit zu leisten.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Art. 2 („Begriffsbestimmungen”) der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

l) ‚Annullierung’ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.”

Rz. 4

Art. 5 („Annullierung”) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt in Abs. 1:

„Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

  1. vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,
  2. vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und
  3. vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

    i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

    ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

    iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.”

Rz. 5

Art. 6 („Verspätung”) der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:

„(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass s...

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