Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf -Diskriminierung wegen des Alters. Kollektivvertrag. Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe. Mittelbare Ungleichbehandlung wegen des Alters

 

Normenkette

Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1-2

 

Beteiligte

Bowman

Daniel Bowman

Pensionsversicherungsanstalt

 

Tenor

Art. 2 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einem nationalen Kollektivvertrag wie dem im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegensteht, nach dem für einen Arbeitnehmer, der für die Zwecke seiner Einstufung in die Bezugsstufen von der Anrechnung von Schulzeiten profitiert, eine Verlängerung des Vorrückungszeitraums von der ersten in die zweite Bezugsstufe gilt, da diese Verlängerung auf alle Arbeitnehmer anzuwenden ist, die von der Anrechnung von Schulzeiten profitieren, und auch rückwirkend auf diejenigen, die bereits höhere Bezugsstufen erreicht haben.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 24. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Oktober 2015, in dem Verfahren

Daniel Bowman

gegen

Pensionsversicherungsanstalt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Bowman, vertreten durch Rechtsanwalt P. Ringhofer,
  • der Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch die Rechtsanwälte J. Milchram, A. Ehm und T. Mödlagl,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 21 und 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) sowie von Art. 2 Abs. 1 und 2 und von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Daniel Bowman und der Pensionsversicherungsanstalt wegen einer von dieser getroffenen Entscheidung, die auf eine kollektivvertragliche Regelung gestützt wurde, wonach zwischen der ersten und der zweiten Bezugsstufe ein längerer Vorrückungszeitraum vorgesehen ist als zwischen den folgenden Bezugsstufen.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 2000/78

Rz. 3

Nach ihrem Art. 1 ist Zweck der Richtlinie 2000/78 „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten”.

Rz. 4

Art. 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1

  1. liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
  2. liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:

i) [D]iese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …

…”

Rz. 5

Art. 6 „Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters”) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ung...

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