Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union. Anwendungsbereich. Einziehung rechtswidrig erworbener Vermögenswerte. Wirtschaftlicher Vorteil aus einer nicht abgeurteilten Straftat. Einziehung. Erweiterte Einziehung. Dritteinziehung. Voraussetzungen. Einziehung eines Geldbetrags, den ein Dritter als ihm gehörend beansprucht. Dritte Personen, die nicht das Recht haben, als Beteiligte am Einziehungsverfahren teilzunehmen

 

Normenkette

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47; Richtlinie 2014/42/EU Art. 4-6

 

Beteiligte

Okrazhna prokuratura – Varna

DR

TS

 

Tenor

1. Die Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass der Besitz von Betäubungsmitteln zum Zweck ihres Verteilens auch dann in ihren Anwendungsbereich fällt, wenn sich alle mit der Begehung dieser Straftat verbundenen Tatumstände auf einen einzigen Mitgliedstaat beschränken.

2. Die Richtlinie 2014/42 ist dahin auszulegen, dass sie nicht nur die Einziehung von Vermögensgegenständen vorsieht, die einen wirtschaftlichen Vorteil darstellen, der aus der Straftat herrührt, derentwegen die Person, die diese Straftat begangen hat, verurteilt wurde, sondern dass sie auch die Einziehung von dieser Person gehörenden Vermögensgegenständen erfasst, die nach Überzeugung des mit der Rechtssache befassten nationalen Gerichts aus anderen Straftaten stammen, sofern die in Art. 8 Abs. 8 dieser Richtlinie vorgesehenen Garantien gewahrt werden und die Straftat, deren diese Person für schuldig befunden wurde, zu denen gehört, die in Art. 5 Abs. 2 dieser Richtlinie aufgezählt werden, und diese Straftat im Sinne dieser Richtlinie direkt oder indirekt zu einem wirtschaftlichen Vorteil führen kann.

3. Art. 8 Abs. 1, 7 und 9 der Richtlinie 2014/42 in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der ein Vermögensgegenstand eingezogen werden darf, der angeblich einer anderen Person als dem Straftäter gehört, ohne dass diese Person die Möglichkeit hat, als Beteiligte am Einziehungsverfahren teilzunehmen.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Apelativen sad – Varna (Berufungsgericht Varna, Bulgarien) mit Entscheidungen vom 7. November 2019 (C-845/19) und vom 19. November 2019 (C-863/19), beim Gerichtshof eingegangen am 19. bzw. am 26. November 2019, in den Strafverfahren gegen

DR (C-845/19),

TS (C-863/19),

Beteiligte:

Okrazhna prokuratura – Varna,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richter J. Passer und F. Biltgen, der Richterin L. S. Rossi (Berichterstatterin) und des Richters N. Wahl,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Okrazhna prokuratura – Varna (Regionalstaatsanwaltschaft), vertreten durch I. Todorov und V. Chavdarov als Bevollmächtigte,
  • der bulgarischen Regierung, vertreten durch M. Georgieva, T. Mitova und E. Petranova als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch J. Schmoll und F. Zeder als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, ursprünglich vertreten durch S. Grünheid, Y. Marinova und R. Troosters, dann durch S. Grünheid und Y. Marinova als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 24. März 2021

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 der Richtlinie 2014/42/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 über die Sicherstellung und Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten in der Europäischen Union (ABl. 2014, L 127, S. 39) sowie von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Strafverfahren gegen DR (C-845/19) und TS (C-863/19) (im Folgenden zusammen: Beteiligte) wegen Anträgen auf Einziehung von Geldbeträgen infolge ihrer Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln zum Zweck ihres Verteilens, wobei die Beteiligten behaupten, dass diese Geldbeträge Dritten gehörten.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rahmenbeschluss 2004/757/JI

Rz. 3

Der Rahmenbeschluss 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. 2004, L 335, S. 8) bestimmt in seinem Art. 2 („Straftaten in Verbindung mit illegalem Handel mi...

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