Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziale Sicherheit. Verordnung (EWG) Nr. 1408/71. Art. 4, 10 und 10a. Kurzfristiges Arbeitsunfähigkeitsgeld für junge Menschen. Leistung bei Krankheit oder Leistung bei Invalidität. Voraussetzungen des Wohnsitzes, des Aufenthalts zum Zeitpunkt der Antragstellung und des vorherigen Aufenthalts. Unionsbürgerschaft. Verhältnismäßigkeit

 

Beteiligte

Stewart

Lucy Stewart

Secretary of State for Work and Pensions

 

Tenor

1. Ein kurzfristiges Arbeitsunfähigkeitsgeld für junge Menschen wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende ist eine Leistung bei Invalidität im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 geänderten Fassung, wenn feststeht, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung eine bleibende oder dauerhafte Behinderung aufweist.

2. Art. 10 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 in der genannten und durch die Verordnung Nr. 647/2005 geänderten Fassung verwehrt es einem Mitgliedstaat, die Gewährung eines kurzfristigen Arbeitsunfähigkeitsgelds für junge Menschen wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden von einer Voraussetzung abhängig zu machen, nach der der Antragsteller seinen gewöhnlichen Wohnsitz im Inland haben muss;

Art. 21 Abs. 1 AEUV verbietet es einem Mitgliedstaat, die Gewährung einer solchen Leistung abhängig zu machen

  • von einer Voraussetzung, nach der sich der Antragsteller zuvor im Inland aufgehalten haben muss, unter Ausschluss jedes anderen Umstands, der das Bestehen einer tatsächlichen Verbindung zwischen dem Antragsteller und diesem Mitgliedstaat belegen kann, und
  • von einer Voraussetzung, nach der sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung im Inland aufhalten muss.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upper Tribunal (Administrative Appeals Chamber) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 16. November 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2009, in dem Verfahren

Lucy Stewart

gegen

Secretary of State for Work and Pensions

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter), A. Rosas und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2010,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Stewart, vertreten durch P. Stewart als gesetzliche Vertreterin im Beistand von R. Drabble, QC,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch H. Walker als Bevollmächtigte im Beistand von T. de la Mare, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 17. März 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 10 Abs. 1, Art. 19 und Art. 28 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten und durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (ABl. L 117, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Stewart, einer in Spanien wohnenden britischen Staatsangehörigen, und dem Secretary of State for Work and Pensions wegen dessen Weigerung, ihr kurzfristiges Arbeitsunfähigkeitsgeld für junge Menschen zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 („Persönlicher Geltungsbereich”) Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

„Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige sowie für Studierende, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen, sowie für deren Familienangehörige und Hinterbliebene.”

Rz. 4

Art. 4 („Sachlicher Geltungsbereich”) dieser Verordnung sieht vor:

„(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:

  1. Leistungen bei Krankheit und Mutterschaft,
  2. Leistungen bei Invalidität einschließ...

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