Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Eigenart. Unterschiedlicher Gesamteindruck. Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Gültigkeit. Voraussetzungen. Beweislast

 

Normenkette

Verordnung (EG) Nr. 6/2002 Art. 6, 85 Abs. 2

 

Beteiligte

Karen Millen Fashions

Karen Millen Fashions Ltd

Dunnes Stores

Dunnes Stores (Limerick) Ltd

 

Tenor

1. Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster ist dahin auszulegen, dass für die Bejahung der Eigenart eines Geschmacksmusters sich der Gesamteindruck, den dieses beim informierten Benutzer hervorruft, nicht von dem Gesamteindruck, den eine Kombination isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern hervorruft, sondern von dem Gesamteindruck, den ein oder mehrere ältere Geschmacksmuster für sich genommen hervorrufen, unterscheiden muss.

2. Art. 85 Abs. 2 der Verordnung Nr. 6/2002 ist dahin auszulegen, dass der Inhaber dieses Geschmacksmusters nicht zum Nachweis verpflichtet ist, dass dieses Eigenart nach Art. 6 dieser Verordnung besitzt, sondern lediglich angeben muss, inwiefern dieses Geschmacksmuster Eigenart aufweist, d. h. dass er das oder die Elemente seines Geschmacksmusters benennen muss, die ihm Eigenart verleihen, damit ein Gemeinschaftsgeschmacksmustergericht es als rechtsgültig ansieht.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Supreme Court (Irland) mit Entscheidung vom 6. Juni 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juni 2013, in dem Verfahren

Karen Millen Fashions Ltd

gegen

Dunnes Stores,

Dunnes Stores (Limerick) Ltd

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Karen Millen Fashions Ltd, vertreten durch J. Waters, Solicitor,
  • der Dunnes Stores und Dunnes Stores (Limerick) Ltd, vertreten durch G. Byrne, Solicitor,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brighouse als Bevollmächtigte im Beistand von N. Saunders, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. W. Bulst und J. Samnadda als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. April 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 und 85 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 6/2002 des Rates vom 12. Dezember 2001 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster (ABl. 2002, L 3, S. 1).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Karen Millen Fashions Ltd (im Folgenden: KMF) und Dunnes Stores und Dunnes Stores (Limerick) Ltd (im Folgenden zusammen: Dunnes) über eine von KMF eingereichte Klage auf Untersagung der Benutzung von Geschmacksmustern durch Dunnes.

Rechtlicher Rahmen

TRIPS-Übereinkommen

Rz. 3

Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen), in Anhang 1 C des am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichneten Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) wurde mit dem Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche (ABl. L 336, S. 1) genehmigt.

Rz. 4

In Abschnitt 4 („Gewerbliche Muster und Modelle”) von Teil II („Normen betreffend die Verfügbarkeit, den Umfang und die Ausübung von Rechten des geistigen Eigentums”) dieses Übereinkommens bestimmt Art. 25 („Voraussetzungen für die Gewährung des Schutzes”):

„(1) Die Mitglieder sehen den Schutz unabhängig geschaffener gewerblicher Muster und Modelle vor, die neu sind oder Eigenart haben. Die Mitglieder können bestimmen, dass Muster oder Modelle nicht neu sind oder keine Eigenart haben, wenn sie sich von bekannten Mustern oder Modellen oder Kombinationen bekannter Merkmale von Mustern oder Modellen nicht wesentlich unterscheiden. Die Mitglieder können bestimmen, dass sich dieser Schutz nicht auf Muster oder Modelle erstreckt, die im Wesentlichen aufgrund technischer oder funktionaler Überlegungen vorgegeben sind.

…”

Verordnung Nr. 6/2002

Rz. 5

In den Erwägungsgründen 9, 14, 16, 17, 19 und 25 der Verordnung Nr. 6/2002 heißt es:

„(9) Die materiellrechtlichen Bestimmungen dieser Verordnung über das Geschmacksmusterrecht sollten den entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 98/71/EG angepasst werden.

(14) Ob ein Geschmacksmuster Eigenart besitzt, sollte danach beurteilt werden, inwieweit sich der Gesamteindruck, den der Anblick des Geschmacksmusters beim informierten Benutzer hervorruft, deutlich von dem unterscheidet, den der vor...

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