Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit. Studierender, der Angehöriger eines Mitgliedstaats ist und sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, um dort zu studieren. Unterhaltsstipendien für Studierende. Unionsbürgerschaft. Art. 12 EG. Rechtssicherheit

 

Beteiligte

Förster

Jacqueline Förster

Hoofddirectie van de Informatie Beheer Groep

 

Tenor

1. Ein Studierender in der Situation der Klägerin des Ausgangsverfahrens kann sich nicht auf Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben, berufen, um ein Unterhaltsstipendium zu erhalten.

2. Ein Studierender, der Angehöriger eines Mitgliedstaats ist und sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, um dort zu studieren, kann sich auf Art. 12 Abs. 1 EG berufen, um ein Unterhaltsstipendium zu erhalten, sofern er sich für eine gewisse Dauer im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten hat. Art. 12 Abs. 1 EG verbietet nicht, von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten einen vorherigen Aufenthalt von fünf Jahren zu verlangen.

3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens steht das Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Grundsatz der Rechtssicherheit, der Anwendung des Kriteriums des Aufenthalts nicht entgegen, wonach der Anspruch von Studierenden aus anderen Mitgliedstaaten auf ein Unterhaltsstipendium von der Aufenthaltsdauer vor Einführung dieses Kriteriums abhängig gemacht wird.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Centrale Raad van Beroep (Niederlande) mit Entscheidung vom 16. März 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 22. März 2007, in dem Verfahren

Jacqueline Förster

gegen

Hoofddirectie van de Informatie Beheer Groep

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas, K. Lenaerts und T. von Danwitz sowie der Richter A. Tizzano, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta, der Richter K. Schiemann und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader und des Richters J.-J. Kasel,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2008, unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Frau Förster, vertreten durch A. Noordhuis, advocaat,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Mol als Bevollmächtigte,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch J. Himmanen als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und S. Johannesson als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch T. Harris als Bevollmächtigte im Beistand von S. Lee, Barrister,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. Juli 2008

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 EG und 18 EG sowie von Art. 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben (ABl. L 142, S. 24) und Art. 3 der Richtlinie 93/96/EWG des Rates vom 29. Oktober 1993 über das Aufenthaltsrecht der Studenten (ABl. L 317, S. 59).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Förster und der Hoofddirectie van de Informatie Beheer Groep (im Folgenden: IB-Groep) wegen der teilweisen Rücknahme eines Unterhaltsstipendiums, das ihr gemäß dem Gesetz über die Studienfinanzierung von 2000 (Wet studiefinanciering 2000, im Folgenden: WSF 2000) gewährt worden war.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 3

Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2434/92 des Rates vom 27. Juli 1992 (ABl. L 245, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1612/68) bestimmt, dass ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten „die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen [genießt] wie die inländischen Arbeitnehmer”.

Rz. 4

Art. 2 der Verordnung Nr. 1251/70 sieht u. a. vor:

„(1) Folgende Arbeitnehmer haben das Recht, im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben:

  1. der Arbeitnehmer, der zu dem Zeitpunkt, an dem er seine Beschäftigung aufgibt, das nach der Gesetzgebung ...

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