Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Regelung eines Mitgliedstaats, die eine Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen vorsieht. Situation, in der den Haltern von in diesem Mitgliedstaat zugelassenen Fahrzeugen eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in Höhe dieser Abgabe gewährt wird

 

Normenkette

AEUV Art. 18, 92, 56, 34

 

Beteiligte

Österreich/Deutschland

Republik Österreich

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen, dass sie die Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen eingeführt und gleichzeitig eine Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer in einer Höhe, die mindestens dem Betrag der entrichteten Abgabe entspricht, zugunsten der Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen vorgesehen hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Bundesrepublik Deutschland trägt drei Viertel der Kosten der Republik Österreich sowie ihre eigenen Kosten.

4. Die Republik Österreich trägt ein Viertel ihrer eigenen Kosten.

5. Das Königreich der Niederlande und das Königreich Dänemark tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 259 AEUV, eingereicht am 12. Oktober 2017,

Republik Österreich, vertreten durch G. Hesse, J. Schmoll und C. Drexel als Bevollmächtigte,

Klägerin,

unterstützt durch

Königreich der Niederlande, vertreten durch J. Langer, J. M. Hoogveld und M. K. Bulterman als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und S. Eisenberg als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt C. Hillgruber,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten durch J. Nymann-Lindegren und M. Wolff als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin), der Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev, E. Regan und C. Lycourgos, der Richter E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský, C. G. Fernlund, P. G. Xuereb und N. Piçarra sowie der Richterin L. S. Rossi,

Generalanwalt: N. Wahl,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Dezember 2018,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Februar 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Republik Österreich, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen die Art. 18, 34, 56 und 92 AEUV verstoßen hat, dass sie mit dem Infrastrukturabgabengesetz (InfrAG) vom 8. Juni 2015 (BGBl. I S. 904) in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes vom 18. Mai 2017 (BGBl. I S. 1218) eine Infrastrukturabgabe für Personenkraftwagen eingeführt hat und für Halter von in Deutschland zugelassenen Fahrzeugen eine mindestens dem Betrag dieser Abgabe entsprechende Steuerentlastung bei der Kraftfahrzeugsteuer vorsieht, die mit dem Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetz vom 8. Juni 2015 (BGBl. I S. 901), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Verkehrsteueränderungsgesetzes vom 6. Juni 2017 (BGBl. I S. 1493), in das Kraftfahrzeugsteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3818) eingeführt worden ist (im Folgenden zusammen: streitige nationale Maßnahmen).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (ABl. 1999, L 187, S. 42) in der durch die Richtlinie 2011/76/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. September 2011 (ABl. 2011, L 269, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Eurovignetten-Richtlinie) gilt die erstgenannte Richtlinie für Kraftfahrzeugsteuern und für Maut- und Benutzungsgebühren, die von den in Art. 2 dieser Richtlinie definierten Fahrzeugen erhoben werden. In diesem Art 2 Buchst. d wird der Begriff „Fahrzeug” im Sinne der Eurovignetten-Richtlinie definiert als „Kraftfahrzeuge oder Fahrzeugkombinationen, die für den Güterkraftverkehr bestimmt sind oder verwendet werden und deren zulässiges Gesamtgewicht mehr als 3,5 t beträgt”.

Rz. 3

Art. 7 der Eurovignetten-Richtlinie bestimmt:

„(1) Unbeschadet des Artikels 9 Absatz 1a dürfen die Mitgliedstaaten unter den in den Absätzen 2, 3, 4 und 5 dieses Artikels und in den Artikeln 7a bis 7k genannten Bedingungen Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf dem transeuropäischen Straßennetz oder auf bestimmten Abschnitten dieses Netzes und zusätzlich auf anderen Abschnitten ihrer Autobahnnetze, die nicht zum transeuropäischen Straßennetz gehören, beibehalten oder einführen. Das Recht der Mitgliedstaaten, unter Beachtung des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Maut- und/oder Benutzungsgebühren auf anderen Straßen zu erheben, bleibt hiervon unberührt, sofern die Erhebung ...

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