Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Leiharbeit. Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit. Rechtfertigungsgründe. Gründe des Allgemeininteresses. Verpflichtung zur Überprüfung. Bedeutung

 

Normenkette

Richtlinie 2008/104/EG Art. 4 Abs. 1

 

Beteiligte

AKT

Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry

Öljytuote ry

Shell Aviation Finland Oy

 

Tenor

Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit ist dahin auszulegen,

  • dass er nur an die zuständigen Behörden des Mitgliedstaats gerichtet ist, indem ihnen eine Überprüfungsverpflichtung auferlegt wird, damit sie sicherstellen, dass etwaige Verbote und Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit gerechtfertigt sind, und
  • dass er daher die nationalen Gerichte nicht verpflichtet, alle Bestimmungen des nationalen Rechts unangewendet zu lassen, die Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit enthalten, die nicht aus Gründen des Allgemeininteresses im Sinne von Art. 4 Abs. 1 gerechtfertigt sind.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Työtuomioistuin (Finnland) mit Entscheidung vom 4. Oktober 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Oktober 2013, in dem Verfahren

Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry

gegen

Öljytuote ry,

Shell Aviation Finland Oy

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidenten M. Ilešič, L. Bay Larsen, A. Ó Caoimh (Berichterstatter), C. Vajda und S. Rodin sowie der Richter E. Juhász, A. Borg Barthet, J. Malenovský, E. Levits, C. G. Fernlund, J. L. da Cruz Vilaça und F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: I. Illéssy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 9. September 2014,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry, vertreten durch A. Viljander und J. Hellsten, asianajajat,
  • der Öljytuote ry und der Shell Aviation Finland Oy, vertreten durch A. Kriikkula und M. Kärkkäinen, asianajajat,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch J. S. Heliskoski als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und R. Coesme als Bevollmächtigte,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch K. Szíjjártó und M. Fehér als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk und C. Hagerman als Bevollmächtigte,
  • der norwegischen Regierung, vertreten durch I. Thue und D. Tønseth als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und I. Koskinen als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. November 2014

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. L 327, S. 9).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Auto- ja Kuljetusalan Työntekijäliitto AKT ry (im Folgenden: AKT), einer Gewerkschaft, auf der einen Seite und der Öljytuote ry, einem Arbeitgeberverband, und der Shell Aviation Finland Oy (im Folgenden: SAF), einem Unternehmen, das Mitglied dieses Verbands ist, auf der anderen Seite wegen Leiharbeitnehmern, die von SAF beschäftigt wurden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In Kapitel I („Allgemeine Bestimmungen”) der Richtlinie 2008/104 bestimmt Art. 4 („Überprüfung der Einschränkungen und Verbote”):

„(1) Verbote oder Einschränkungen des Einsatzes von Leiharbeit sind nur aus Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt; hierzu zählen vor allem der Schutz der Leiharbeitnehmer, die Erfordernisse von Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz oder die Notwendigkeit, das reibungslose Funktionieren des Arbeitsmarktes zu gewährleisten und eventuellen Missbrauch zu verhüten.

(2) Nach Anhörung der Sozialpartner gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, Tarifverträgen und Gepflogenheiten überprüfen die Mitgliedstaaten bis zum 5. Dezember 2011 die Einschränkungen oder Verbote des Einsatzes von Leiharbeit, um festzustellen, ob sie aus den in Absatz 1 genannten Gründen gerechtfertigt sind.

(3) Sind solche Einschränkungen oder Verbote durch Tarifverträge festgelegt, so kann die Überprüfung gemäß Absatz 2 von denjenigen Sozialpartnern durchgeführt werden, die die einschlägige Vereinbarung ausgehandelt haben.

(4) Die Absätze 1, 2 und 3 gelten unbeschadet der nationalen Anforderungen hinsichtlich der Eintragung, Zulassung, Zertifizierung, finanziellen Garantie und Überwachung der Leiharbeitsunternehmen.

(5) Die Mitgliedstaaten informieren die Kommission über die Ergebnisse der Überprüfung...

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