Entscheidungsstichwort (Thema)

Staatliche Beihilfen. Beihilfen, die die Bundesrepublik Deutschland für den Flächenerwerb gewährt. Programm zur Privatisierung landwirtschaftlicher Flächen und zur Umstrukturierung der Landwirtschaft in den deutschen ‚neuen Ländern’

 

Beteiligte

SEYDALAND

Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe GmbH & Co. KG

BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH

 

Tenor

Art. 87 EG ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die für die Ermittlung des Wertes land- und forstwirtschaftlich genutzter Flächen, die von der öffentlichen Hand im Rahmen eines Privatisierungsprogramms veräußert werden, Berechnungsmethoden wie die in § 5 Abs. 1 der Flächenerwerbsverordnung vom 20. Dezember 1995 festgelegten vorsieht, sofern diese Methoden eine Aktualisierung der Preise in Fällen eines starken Preisanstiegs vorsehen, so dass der vom Käufer tatsächlich gezahlte Preis sich dem Marktwert dieser Grundstücke möglichst weit annähert.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landgericht Berlin (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. Juni 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 1. Juli 2009, in dem Verfahren

Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe GmbH & Co. KG

gegen

BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano (Berichterstatter) sowie der Richter J.-J. Kasel, A. Borg Barthet, E. Levits und M. Safjan,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt G. Korth,
  • der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. von Donat,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und B. Klein als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Stromsky und B. Martenczuk als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. September 2010

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 87 EG.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Seydaland Vereinigte Agrarbetriebe GmbH & Co. KG (im Folgenden: Seydaland) und der BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (im Folgenden: BVVG) hinsichtlich der Methoden, die zur Berechnung des Kaufpreises landwirtschaftlicher Flächen angewandt werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Die Vorschriften über staatliche Beihilfen

Rz. 3

Abschnitt II Ziff. 1 Abs. 1 der Mitteilung der Kommission vom 10. Juli 1997 betreffend Elemente staatlicher Beihilfe bei Verkäufen von Bauten oder Grundstücken durch die öffentliche Hand (ABl. C 209, S. 3, im Folgenden: Mitteilung) lautet:

„Der Verkauf von Bauten oder Grundstücken nach einem hinreichend publizierten, allgemeinen und bedingungsfreien Bietverfahren (ähnlich einer Versteigerung) und die darauf folgende Veräußerung an den meistbietenden oder den einzigen Bieter stellt grundsätzlich einen Verkauf zum Marktwert dar und enthält damit keine staatliche Beihilfe. …”

Rz. 4

Nach Abschnitt II Ziff. 2 Buchst. a Abs. 1 der Mitteilung lässt sich, „[w]enn die öffentliche Hand nicht beabsichtigt, das [in Abschnitt II Ziff. 1] dargelegte Verfahren anzuwenden”, das Vorhandensein von Elementen einer staatlichen Beihilfe nur dadurch ausschließen, dass „vor den Verkaufsverhandlungen eine … Bewertung durch (einen) unabhängige(n) Sachverständige(n) für Wertermittlung erfolg[t], um auf der Grundlage allgemein anerkannter Marktindikatoren und Bewertungsstandards den Marktwert zu ermitteln”.

Rz. 5

In Abschnitt II Ziff. 2 Buchst. a Abs. 5 der Mitteilung heißt es:

„Unter Marktwert ist der Preis zu verstehen, der zum Zeitpunkt der Bewertung aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags über Bauten oder Grundstücke zwischen einem verkaufswilligen Verkäufer und einem ihm nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Käufer unter den Voraussetzungen zu erzielen ist, wobei das Grundstück offen am Markt angeboten wurde, die Marktverhältnisse einer ordnungsgemäßen Veräußerung nicht im Wege stehen und eine der Bedeutung des Objektes angemessene Verhandlungszeit zur Verfügung steht …”

Rz. 6

Mit ihrer Entscheidung 1999/268/EG vom 20. Januar 1999 über den Flächenerwerb gemäß Ausgleichsleistungsgesetz (ABl. L 107, S. 21, im Folgenden: Entscheidung vom 20. Januar 1999) erklärte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die durch ein Programm der Bundesrepublik Deutschland eingeführte Beihilferegelung zur Reprivatisierung von Flächen im Gebiet der neuen Länder für mit dem Gemeinsamen Markt teilweise unvereinbar.

Rz. 7

Art. 2 Unterabs. 2 dieser Entscheidung lautete:

„Die Beihilfen, … deren Intensität die Höchstgrenze von 35 % für landwirtschaftliche Flächen in nicht benachteiligten Gebieten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 950/97 [des Rates vom 20. Mai 1997 zur Verbesserung der Effizienz der Agrarstruktur, ABl. L 142, S....

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