Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Richtlinie 80/987/EWG. Anwendungsbereich. Begriff der ‚Ansprüche’. Begriff des ‚Arbeitsentgelts‚. Entschädigung wegen rechtswidriger Kündigung

 

Beteiligte

Olaso Valero

José Vicente Olaso Valero

Fondo de Garantía Salarial (Fogasa)

 

Tenor

1. Es ist Sache des nationalen Gerichts, festzustellen, ob der Begriff „Arbeitsentgelt”, wie er im nationalen Recht definiert ist, Entschädigungen wegen rechtswidriger Kündigung einschließt. Trifft dies zu, so fallen diese Entschädigungen unter die Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers in der vor Erlass der Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 80/987 geltenden Fassung.

2. Fallen nach der einschlägigen nationalen Regelung Ansprüche auf eine Entschädigung wegen rechtswidriger Kündigung, die durch ein Urteil oder eine Verwaltungsentscheidung zugesprochen werden, unter den Begriff „Arbeitsentgelt”, so sind entsprechende Ansprüche, die in einem Güteverfahren wie dem im Ausgangsverfahren festgestellt werden, als das Arbeitsentgelt betreffende Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen im Sinne der Richtlinie 80/987 anzusehen. Das nationale Gericht hat eine innerstaatliche Regelung außer Anwendung zu lassen, die diese Ansprüche unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz vom Begriff „Arbeitsentgelt” im Sinne der betreffenden Regelung ausschließt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia de la Comunidad Valenciana (Spanien) mit Entscheidung vom 27. November 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Dezember 2003, in dem Verfahren

José Vicente Olaso Valero

gegen

Fondo de Garantía Salarial (Fogasa)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Lenaerts, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin) sowie der Richter K. Schiemann und E. Juhász,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Olaso Valero, vertreten durch T. Alcalá Mellado, abogada,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch L. Fraguas Gadea als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Rozet und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

 

Entscheidungsgründe

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283, S. 23).

2

Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Olaso Valero und dem Fondo de Garantía Salarial (Garantiefonds für Arbeitsentgelt, im Folgenden auch: Fogasa) wegen der Weigerung des Fogasa, Herrn Olaso Valero im Rahmen seiner subsidiären Haftung eine Entschädigung wegen rechtswidriger Kündigung zu zahlen, die zwischen diesem Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber in einem Vergleich vereinbart worden war.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrechtliche Vorschriften

3

Die Richtlinie 80/987 gilt nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 „für Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen gegen Arbeitgeber, die zahlungsunfähig im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 sind”.

4

Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie stellt klar, dass diese das einzelstaatliche Recht bezüglich der Begriffsbestimmung der Worte „Arbeitnehmer”, „Arbeitgeber”, „Arbeitsentgelt”, „erworbenes Recht” und „Anwartschaftsrecht” unberührt lässt.

5

Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 80/987 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vorbehaltlich des Artikels 4 Garantieeinrichtungen die Befriedigung der nicht erfüllten Ansprüche der Arbeitnehmer aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen, die das Arbeitsentgelt für den vor einem bestimmten Zeitpunkt liegenden Zeitraum betreffen, sicherstellen.”

6

Nach Artikel 4 der Richtlinie 80/987 können die Mitgliedstaaten die in Artikel 3 vorgesehene Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen begrenzen, indem sie sie auf das Arbeitsentgelt für einen bestimmten Zeitraum beschränken oder eine Höchstgrenze festsetzen.

7

Gemäß ihrem Artikel 9 schränkt die Richtlinie „nicht die Möglichkeit der Mitgliedstaaten ein, für die Arbeitnehmer günstigere Rechts- oder Verwaltungsvorschriften anzuwenden oder zu erlassen”.

8

Nach Artikel 10 Buchstabe a steht die Richtlinie „nicht der Möglichkeit der Mitgliedstaaten entgegen, … die zur Vermeidung von Missbräuchen notwendigen Maßnahmen zu treffen”.

9

Durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parla...

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