Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmeland Türkei. Anspruch auf Verlängerung der Arbeitserlaubnis bei Eheschließung mit einer Angehörigen des Mitgliedsstates, in dem die Beschäftigung bei einem Arbeitgeber mehr als ein Jahr fortwährt

 

Leitsatz (amtlich)

1.

Artikel 6 Absatz 1 dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei ist dahin auszulegen, daß ein türkischer Arbeitnehmer die in dieser Bestimmung vorgesehene Voraussetzung, seit mindestens vier Jahren ordnungsgemäß beschäftigt zu sein, nicht erfüllt, wenn er diese Beschäftigung im Rahmen eines Aufenthaltsrechts ausgeübt hat, das ihm aufgrund einer nationalen Regelung eingeräumt war, nach der der Aufenthalt während des Verfahrens zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Aufnahmeland erlaubt ist; dies gilt auch dann, wenn das Aufenthaltsrecht des Betroffenen durch ein Urteil eines erstinstanzlichen Gerichts, gegen das ein Rechtsmittel eingelegt worden ist, bestätigt worden ist.

2.

Artikel 6 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei ist dahin auszulegen, daß ein türkischer Staatsangehöriger, der eine Aufenthaltserlaubnis für das Gebiet eines Mitgliedstaats erhalten hat, um dort mit einer Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats die Ehe zu schließen, und der dort seit mehr als einem Jahr mit gültiger Arbeitserlaubnis bei demselben Arbeitgeber gearbeitet hat, nach dieser Bestimmung einen Anspruch auf Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis hat, selbst wenn seine Ehe zu dem Zeitpunkt, zu dem über den Verlängerungsantrag entschieden wird, nicht mehr besteht.

3.

Ein türkischer Arbeitnehmer, der die Voraussetzungen des Artikels 6 Absatz 1 erster oder dritter Gedankenstrich des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG-Türkei erfüllt, kann sich unmittelbar auf diese Bestimmungen berufen, um außer der Verlängerung seiner Arbeitserlaubnis die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zu erreichen, da das Aufenthaltsrecht für den Zugang zur Ausübung einer Tätigkeit im Lohn- oder Gehaltsverhältnis unbedingt erforderlich ist.

4.

Dem steht nicht entgegen, daß die Einzelheiten der Durchführung des Artikels 6 Absatz 1 nach Artikel 6 Absatz 3 des Beschlusses Nr. 1/80 durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt werden. Durch Artikel 6 Absatz 3 dieses Beschlusses wird die den Mitgliedstaaten obliegende Verpflichtung zum Erlaß derjenigen Verwaltungsmaßnahmen, die zur Durchführung dieser Bestimmung gegebenenfalls erforderlich sind, nämlich nur konkretisiert, ohne daß die Mitgliedstaaten dadurch ermächtigt wurden, die Ausübung des genau bestimmten und nicht an Bedingungen geknüpften Rechts, das den türkischen Arbeitnehmern aufgrund dieser Bestimmung zusteht, an Bedingungen zu binden oder einzuschränken.

 

Normenkette

EWGVtr Art. 177; EWGAssRBes 1/80 Art. 6 Abs. 1, 3; AuslG 1990 § 15 Abs. 1, § 28 Abs. 1

 

Beteiligte

A. M. van Gemert-Derks

Nieuwe Industriële Bedrijfsvereniging

 

Verfahrensgang

Hessischer VGH (Entscheidung vom 02.08.1991; Aktenzeichen 12 UE 3862/87)

 

Fundstellen

Haufe-Index 1150972

NJW 1993, 1252

EuGHE I 1992, 6781

NVwZ 1993, 258

EuR 1994, 196

EuZW 1993, 96

JZ 1993, 836

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