Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifvertrag. Überbrückungsbeihilfe für die ehemaligen zivilen Arbeitnehmer der alliierten Streitkräfte in Deutschland. Grenzgänger. Ermittlung der Bemessungsgrundlage dieser Beihilfe. Fiktive Berücksichtigung der deutschen Lohnsteuer

 

Normenkette

EG Art. 39

 

Beteiligte

Merida

Gerard Merida

Bundesrepublik Deutschland

 

Tenor

Artikel 39 EG und Artikel 7 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft stehen einer nationalen tarifvertraglichen Regelung entgegen, nach der der Betrag einer vom Beschäftigungsstaat gezahlten Sozialleistung wie der Überbrückungsbeihilfe so berechnet wird, dass die in diesem Staat geschuldete Lohnsteuer bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Beihilfe fiktiv abgezogen wird, während nach einem Doppelbesteuerungsabkommen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen von Arbeitnehmern, die nicht in diesem Beschäftigungsstaat ansässig sind, nur in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sie ansässig sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,

eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) mit Beschluss vom 27. Juni 2002, eingetragen am 12. November 2002, in dem Verfahren

Gerard Merida

gegen

Bundesrepublik Deutschland

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter J.-P. Puissochet, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und R. Schintgen sowie der Richterin N. Colneric,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Januar 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Merida, vertreten durch Rechtsanwalt F. Lorenz,
  • der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch W.-D. Plessing als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt E. H. Neuert,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun, R. Lyal und D. Martin als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 5. Februar 2004,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 39 EG.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Merida, der französischer Staatsangehöriger ist, und der Bundesrepublik Deutschland über die Berechnung der Überbrückungsbeihilfe, die ihm die Bundesrepublik Deutschland in Anwendung des Tarifvertrags vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: TV SozSich) gezahlt hat.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) lautet:

„(1) Ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, darf auf Grund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer.

(4) Alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend Zugang zur Beschäftigung, Beschäftigung, Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen sind von Rechts wegen nichtig, soweit sie für Arbeitnehmer, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen.”

Nationales Recht

4

Der TV SozSich bestimmt in § 4 für die Überbrückungsbeihilfe:

„1.

Überbrückungsbeihilfe wird gezahlt:

b) zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlass von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld),

3.a) (1) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zum Arbeitsentgelt aus anderweitiger Beschäftigung (Ziffer 1a) ist die tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziffer 1a TV AL II [Tarifvertrag vom 16. Dezember 1966 für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland], die dem Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit im Zeitpunkt der Entlassung für einen vollen Kalendermonat zustand.

b) Bemessungsgrundlage der Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit (Ziffer 1b) … ist die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte Bemessungsgrundlage nach vorstehendem Absatz a). Bei der fiktiven Berechnung der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge ist von den für den Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Zahlung der Überbrückungsbeihilfe maßgeblichen Steuer- und Versicherungsmerkmalen – jedoch ohne Berücksichtigung von auf der Steuerkarte aufgetragenen Freibeträgen – auszugehen.

4.

Die Ü...

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