Entscheidungsstichwort (Thema)

Freizügigkeit der Arbeitnehmer. im niederländischen Sprachgebiet des Königreichs Belgien niedergelassene Gesellschaft. Verpflichtung, die Arbeitsverträge in niederländischer Sprache abzufassen. Arbeitsvertrag mit grenzüberschreitendem Charakter. Beschränkung. Unverhältnismäßigkeit

 

Normenkette

AEUV Art. 45

 

Beteiligte

Las

Anton Las

PSA Antwerp NV

 

Tenor

Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er der Regelung einer föderalen Einheit eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die jeden Arbeitgeber mit Betriebssitz im Hoheitsgebiet dieser Einheit unter Androhung der vom Gericht von Amts wegen festzustellenden Nichtigkeit dazu verpflichtet, Arbeitsverträge mit grenzüberschreitendem Charakter ausschließlich in der Amtssprache dieser föderalen Einheit abzufassen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Arbeidsrechtbank te Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 18. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2011, in dem Verfahren

Anton Las

gegen

PSA Antwerp NV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, L. Bay Larsen, T. von Danwitz und J. Malenovský sowie der Richter U. Lõhmus, E. Levits, A. Ó Caoimh, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader und des Richters D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Las, vertreten durch C. Delporte, advocaat,
  • der PSA Antwerp NV, vertreten durch C. Engels und M. Holvoet, advocaten,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und C. Pochet als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stuyck, advocaat,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch S. Vodina und G. Karipsiades als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und G. Rozet als Bevollmächtigte,
  • der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch X. Lewis sowie M. Moustakali und F. Simonetti als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Juli 2012

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Las und seinem ehemaligen Arbeitgeber, der PSA Antwerp NV (im Folgenden: PSA Antwerp), wegen verschiedener von ihr nach der Kündigung gezahlter Abfindungen.

Rechtlicher Rahmen

Belgisches Recht

Rz. 3

In Art. 4 der Belgischen Verfassung heißt es:

„Belgien umfasst vier Sprachgebiete: das deutsche Sprachgebiet, das französische Sprachgebiet, das niederländische Sprachgebiet und das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt.

Jede Gemeinde des Königreichs gehört einem dieser Sprachgebiete an.

…”

Rz. 4

Das Decreet tot regeling van het gebruik van de talen voor de sociale betrekkingen tussen de werkgevers en de werknemers, alsmede van de voor de wet en de verordeningen voogeschreven akten en bescheiden van de ondernemingen (Dekret zur Regelung des Gebrauchs der Sprachen für die sozialen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und die durch Gesetz und Verordnung vorgeschriebenen Maßnahmen und Bescheide der Unternehmen, im Folgenden: Dekret über den Sprachgebrauch) vom 19. Juli 1973 (Belgisch Staatsblad, 6. September 1973, S. 10089) wurde auf der Grundlage von Art. 129 § 1 Nr. 3 der Belgischen Verfassung erlassen, wonach „die Parlamente der Französischen und der Flämischen Gemeinschaft …, jedes für seinen Bereich, durch Dekret und unter Ausschluss des föderalen Gesetzgebers den Gebrauch der Sprachen für … die sozialen Beziehungen zwischen den Arbeitgebern und ihrem Personal sowie die durch Gesetz und Verordnungen vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Unternehmen [regeln]”.

Rz. 5

Art. 1 dieses Dekrets bestimmt:

„Das vorliegende Dekret ist auf natürliche und juristische Personen anwendbar, die einen Betriebssitz im niederländischen Sprachgebiet haben. Es regelt den Gebrauch der Sprachen im Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern sowie in den durch die Gesetze und Verordnungen vorgeschriebenen Handlungen und Dokumenten der Unternehmen.

…”

Rz. 6

Art. 2 dieses Dekrets bestimmt, dass „die für die sozialen Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und für die gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Unternehmen zu gebrauchende Sprache … das Niederländische [ist]”.

Rz. 7

Art. 5 dieses Dekrets lautet:

„Alle gesetzlich vorgeschriebenen Handlungen und Dokumente der Arbeitgeber … und alle Dokumente, die für ihr Personal bestimmt sind, werden in niederländischer Sprache abgefasst.

Wenn die Zusammensetzung des Personals dies rechtfertigt und auf einstimmigen Antrag der Arbeitnehmervertreter des Betriebsrats, oder, bei Fehlen eines Betriebsrats, auf einstimmi...

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