Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Ungleichbehandlung wegen des Alters. Ermittlung des Stichtags für das Vorrücken auf der Gehaltsskala. Verjährungsfrist. Effektivitätsgrundsatz

 

Normenkette

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 21; AEUV Art. 45; Richtlinie 2000/78/EG

 

Beteiligte

Pohl

Siegfried Pohl

ÖBB-Infrastruktur AG

 

Tenor

Das Unionsrecht, insbesondere der Grundsatz der Effektivität, steht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen nicht entgegen, nach der für das Recht eines Arbeitnehmers, eine Aufwertung der bei der Ermittlung des Vorrückungsstichtags zu berücksichtigenden Dienstzeiten zu verlangen, eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gilt, die mit dem Abschluss der Vereinbarung, aufgrund deren dieser Stichtag ermittelt wurde, oder mit der unrichtigen Gehaltseinstufung beginnt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Innsbruck (Österreich) mit Entscheidungen vom 28. August 2012 und 16. August 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 21. September 2012 und 22. August 2013, in dem Verfahren

Siegfried Pohl

gegen

ÖBB-Infrastruktur AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev (Berichterstatter),

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Pohl, vertreten durch die Rechtsanwälte C. Schöffthaler und U. Willi,
  • der ÖBB-Infrastruktur AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Wolf,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Hesse als Bevollmächtigten,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch V. Kreuschitz, D. Martin und F. Schatz als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der allgemeinen unionsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, des Verbots jeglicher Altersdiskriminierung und des Vertrauensschutzes sowie von Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), von Art. 45 AEUV und der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Pohl und seinem ehemaligen Arbeitgeber, der ÖBB-Infrastruktur AG (im Folgenden: ÖBB), über die Frage, wie bei seiner fixen Einstellung zum 1. Juli 1977 der Stichtag für das Vorrücken auf der für diese Stelle geltenden Gehaltsskala zu ermitteln war und wie sich der ermittelte Stichtag auf seine Einstufung in die Gehaltsskala und auf die Berechnung seines Gehalts und seiner Pension auswirkt.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Zweck der Richtlinie 2000/78 ist nach ihrem Art. 1 „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten”.

Rz. 4

Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung’”) der Richtlinie bestimmt:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2) Im Sinne des Absatzes 1:

a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;

…”

Rz. 5

Art. 3 („Geltungsbereich”) Abs. 1 der Richtlinie sieht vor:

„Im Rahmen der auf die [Union] übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

a) die Bedingungen – einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen – für den Zugang zur Beschäftigung oder zu abhängiger oder selbständiger Erwerbstätigkeit, unabhängig von Tätigkeitsfeld und beruflicher Position einschließlich des beruflichen Aufstiegs;

c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

…”

Rz. 6

Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters”) Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Unglei...

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