Entscheidungsstichwort (Thema)

Ersuchen um Vorabentscheidung: Arbeitsgericht Halberstadt. Deutschland. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen. Übertragung bestimmter Verwaltungsaufgaben einer Gemeinde auf eine dazu von mehreren Gemeinden gegründete Körperschaft. Sozialpolitik. Rechtsangleichung. Übergang von Unternehmen. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Richtlinie 77/187. Anwendungsbereich. Übergang. Begriff. Übertragung von Verwaltungsaufgaben einer Gemeinde auf eine Verwaltungsgemeinschaft. Ausschluß

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, daß der Begriff „Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen” nicht die Übertragung von Verwaltungsaufgaben einer Gemeinde auf eine Verwaltungsgemeinschaft erfasst.

 

Normenkette

Richtlinie 77/187 des Rates Art. 1 Abs. 1

 

Beteiligte

Annette Henke

Gemeinde Schierke und Verwaltungsgemeinschaft Brocken

 

Tenor

Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, daß der Begriff „Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen” nicht die Übertragung von Verwaltungsaufgaben einer Gemeinde auf eine Verwaltungsgemeinschaft erfasst, wie sie im Ausgangsrechtsstreit erfolgt ist.

 

Gründe

1 Das Arbeitsgericht Halberstadt hat mit Beschluß vom 19. Oktober 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26, nachstehend: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Annette Henke (Klägerin) und der Gemeinde Schierke sowie der Verwaltungsgemeinschaft „Brocken” wegen der Entlassung der Klägerin.

3 Die Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt vom 5. Oktober 1993 (GVBl. LSA Nr. 43/1993, S. 568) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit und andere kommunalrechtliche Vorschriften (GVBl. LSA Nr. 7/1994, S. 164) sieht in ihrem § 75 vor:

„(1) Benachbarte Gemeinden eines Landkreises können zur Stärkung ihrer Verwaltungskraft durch öffentlich-rechtliche Vereinbarung eine Verwaltungsgemeinschaft bilden.

…”

§ 77 der Gemeindeordnung bestimmt weiterhin:

„(1) Die Verwaltungsgemeinschaft erfüllt die Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden, soweit nicht Bundesrecht entgegensteht. Sie erfüllt auch diejenigen Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, deren Wahrnehmung an eine bestimmte Einwohnergrösse von Gemeinden gebunden ist, sofern die Verwaltungsgemeinschaft diese Einwohnergrösse aufweist …

(2) Die Verwaltungsgemeinschaft führt mit Zustimmung des Gemeinschaftsausschusses Aufgaben des eigenen Wirkungskreises der Mitgliedsgemeinden durch, die alle Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft zur Erfüllung übertragen. Sie kann für einzelne Mitgliedsgemeinden Aufgaben übernehmen, die diese mit Zustimmung des Gemeinschaftsausschusses übertragen …”

4 Die Klägerin war bei der Gemeinde Schierke vom 1. Mai 1992 an als Sekretärin des Bürgermeisters angestellt. Am 1. Juli 1994 bildete diese Gemeinde mit anderen Gemeinden gemäß §§ 75 ff. der Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt die Verwaltungsgemeinschaft „Brocken”, auf die sie Verwaltungsaufgaben übertrug. Mit Schreiben vom 5. Juli 1994 kündigte die Gemeinde Schierke das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin.

5 Diese erhob daraufhin Klage zum Arbeitsgericht Halberstadt und beantragte, festzustellen, daß diese Kündigung unwirksam sei, hilfsweise, daß ihre Entlassung unter Verstoß gegen die anwendbaren Rechtsvorschriften erfolgt sei. Sie macht vor dem nationalen Gericht im wesentlichen geltend, daß ihr Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB auf die Verwaltungsgemeinschaft „Brocken” übergegangen und daher nicht aufgelöst worden sei.

6 Da § 613a BGB die Richtlinie in das deutsche Recht umgesetzt hat, stellt sich nach Ansicht des vorlegenden Gerichts die Frage nach der Tragweite der Richtlinie, deren Artikel 1 Absatz 1 lautet:

„Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.”

7 Das Gericht hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Handelt es sich um einen Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen im Sinne des Artikels 1 Absatz 1 der Rich...

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