Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Minderung der Bemessungsgrundlage. Umfang der Pflichten der Mitgliedstaaten. Unmittelbare Wirkung

 

Normenkette

Richtlinie 2006/112/EG Art. 90

 

Beteiligte

Almos Agrárkülkereskedelmi

Almos Agrárkülkereskedelmi kft

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-magyarországi Regionális Adó Főigazgatósága

 

Tenor

1. Die Bestimmungen von Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Vorschrift nicht entgegenstehen, die im Fall der Nichtbezahlung des Preises keine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer vorsieht, wenn von der in Art. 90 Abs. 2 vorgesehenen Ausnahme Gebrauch gemacht wird. Diese Vorschrift muss dann jedoch alle anderen Fälle erfassen, in denen Art. 90 Abs. 1 zur Anwendung kommt und der Steuerpflichtige nach der Bewirkung eines Umsatzes die Gegenleistung nur teilweise oder gar nicht erhält; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.

2. Die Steuerpflichtigen können sich vor den nationalen Gerichten gegenüber dem Mitgliedstaat auf Art. 90 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 berufen, um in den Genuss einer Minderung ihrer Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer zu kommen. Die Mitgliedstaaten dürfen zwar die Ausübung des Rechts auf Minderung einer solchen Steuerbemessungsgrundlage von der Erfüllung bestimmter Formalitäten abhängig machen, die insbesondere den Nachweis ermöglichen, dass der Steuerpflichtige nach Bewirkung des Umsatzes die Gegenleistung zum Teil oder in vollem Umfang endgültig nicht erlangt hat und dass er sich auf das Vorliegen eines der von Art. 90 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie erfassten Sachverhalte berufen konnte, doch dürfen die insoweit getroffenen Maßnahmen nicht über das für diesen Nachweis Erforderliche hinausgehen; dies zu prüfen ist Sache des nationalen Gerichts.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Kúria (Ungarn) mit Entscheidung vom 23. Mai 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Juni 2013, in dem Verfahren

Almos Agrárkülkereskedelmi kft

gegen

Nemzeti Adó- és Vámhivatal Középmagyarországi Regionális Adó Főigazgatósága

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Almos Agrárkülkereskedelmi kft, vertreten durch T. Garadnai, ügyvéd,
  • der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch M. Germani als Bevollmächtigte,
  • der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Brighouse als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Barrister,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und A. Sipos als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 90 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Almos Agrárkülkereskedelmi kft (im Folgenden: Almos) und der Nemzeti Adó- és Vámhivatal Közép-magyarországi Regionális Adó Főigazgatósága (Regionale Finanzdirektion für Mittelungarn der nationalen Steuer- und Zollverwaltung, im Folgenden: Steuerverwaltung) wegen deren Weigerung, die Berichtigung von Rechnungen zuzulassen, die Almos wegen der Nichtabwicklung eines Verkaufs vorgenommen hatte, um eine Minderung der Bemessungsgrundlage für die Mehrwertsteuer zu erlangen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Zu Titel VII („Steuerbemessungsgrundlage”) der Mehrwertsteuerrichtlinie gehören u. a. die Art. 73 und 90.

Rz. 4

Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.”

Rz. 5

Art. 90 dieser Richtlinie lautet:

„(1) Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Steuerbemessungsgrundlage unter den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.

(2) Die Mitgliedstaaten können im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung von ...

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