Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrecht und verwandte Schutzrechte. Richtlinie 2006/115/EG. Art. 8 und 10. Begriffe ‚Nutzer’ und ‚öffentliche Wiedergabe’. Ausstrahlung von Tonträgern über in Hotelzimmern aufgestellte Fernseh- und/oder Radiogeräte

 

Beteiligte

Phonographic Performance (Ireland)

Phonographic Performance (Ireland) Limited

Irland

Attorney General

 

Tenor

1. Ein Hotelbetreiber, der in seinen Gästezimmern Fernseh- und/oder Radiogeräte aufstellt, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, ist im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums ein „Nutzer”, der eine „öffentliche Wiedergabe” eines in einer Rundfunksendung abgespielten Tonträgers vornimmt.

2. Ein Hotelbetreiber, der in seinen Gästezimmern Fernseh- und/oder Radiogeräte aufstellt, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, ist nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 verpflichtet, zusätzlich zu der vom Rundfunksender gezahlten Vergütung eine angemessene Vergütung für die Ausstrahlung eines in einer Rundfunksendung abgespielten Tonträgers zu zahlen.

3. Ein Hotelbetreiber, der in seinen Gästezimmern zwar keine Fernseh- und/oder Radiogeräte, zu denen er ein Sendesignal übermittelt, aber ein Gerät anderer Art und Tonträger in physischer oder digitaler Form zur Verfügung stellt, die mit einem solchen Gerät abgespielt oder gehört werden können, ist ein „Nutzer”, der eine „öffentliche Wiedergabe” eines Tonträgers im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 vornimmt. Er ist daher verpflichtet, für die Übertragung der genannten Tonträger eine „angemessene Vergütung” im Sinne dieser Vorschrift zu zahlen.

4. Art. 10 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/115, der, wenn es sich um eine „private Benutzung” handelt, eine Beschränkung des nach Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Anspruchs auf eine angemessene Vergütung vorsieht, gestattet es den Mitgliedstaaten nicht, einen Hotelbetreiber, der eine „öffentliche Wiedergabe” eines Tonträgers im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der genannten Richtlinie vornimmt, von der Verpflichtung zur Zahlung einer solchen Vergütung freizustellen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Commercial Division) (Irland) mit Entscheidung vom 23. März 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 2010, in dem Verfahren

Phonographic Performance (Ireland) Limited

gegen

Irland,

Attorney General

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts sowie der Richter J. Malenovský (Berichterstatter), E. Juhász, G. Arestis und T. von Danwitz,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2011,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Phonographic Performance (Ireland) Limited, vertreten durch H. Sheehy, Solicitor, im Beistand von J. Newman, BL,
  • Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von E. Fitzsimons und J. Jeffers, BL,
  • der griechischen Regierung, vertreten durch G. Papadaki, M. Germani und G. Alexaki als Bevollmächtigte,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch P. Gentili als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch J. Gstalter als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und S. La Pergola als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. Juni 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 8 und 10 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. L 376, S. 28).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Phonographic Performance (Ireland) Limited (im Folgenden: PPL) und Irland.

Rechtlicher Rahmen

Internationales Recht

Rz. 3

Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) erließ am 20. Dezember 1996 in Genf den WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (im Folgenden: WPPT) und den WIPO-Urheberrechtsvertrag. Diesen beiden Verträgen wurde mit dem Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 (ABl. L 89, S. 6) im Namen der Europäischen Gemeinschaft zugestimmt.

Rz. 4

Art. 2 Buchst. b, d und g WPPT lauten:

„Im Sinne dieses Vertrags

b) bedeutet ‚Tonträger’ die Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne oder einer Darstellung von Tönen außer in Form einer Festlegung, die Bestandteil eines Filmwerks oder eines anderen audiovisuellen Werks ist;

d) bedeutet ‚Hersteller von Tonträgern’ die natürliche oder juristische Person, die die erste Festlegung der Töne einer Darbietung oder anderer Töne oder der Darstellung von Töne...

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