Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Richtlinie 92/43/EWG. Erhaltung der natürlichen Lebensräume. Wildlebende Tiere und Pflanzen. Jagd auf Wölfe

 

Beteiligte

Kommission / Finnland

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Republik Finnland

 

Tenor

1. Die Republik Finnland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen verstoßen, dass sie die Jagd auf Wölfe aus präventiven Gründen erlaubt, ohne dass nachgewiesen ist, dass die Jagd zur Verhütung ernster Schäden im Sinne von Art. 16 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie geeignet ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und die Republik Finnland tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 14. September 2005,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. van Beek und I. Koskinen als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Finnland, vertreten durch E. Bygglin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk, L. Bay Larsen (Berichterstatter) und J.-C. Bonichot,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. November 2006

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beantragt mit ihrer Klage die Feststellung, dass die Republik Finnland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 12 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206, S. 7, im Folgenden: Habitatrichtlinie) verstoßen hat, dass sie abweichend von den Ausnahmeregelungen in Art. 16 Abs. 1 der genannten Richtlinie die Wolfsjagd erlaubt hat.

Rechtlicher Rahmen

Die Habitatrichtlinie

2 Art. 12 Abs. 1 der Habitatrichtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchstabe a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:

a) alle absichtlichen Formen des Fangs oder der Tötung von aus der Natur entnommenen Exemplaren dieser Arten;

…”

3 Anhang IV der Habitatrichtlinie trägt die Überschrift „Streng zu schützende Tier- und Pflanzenarten von gemeinschaftlichem Interesse”. In Anhang IV Buchst. a in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge (ABl. 1994, C 241, S. 21, und ABl. 1995, L 1, S. 1, im Folgenden: Anhang IV Buchst. a) ist folgende Art aufgeführt: „Canis lupus (mit Ausnahme der finnischen Populationen innerhalb des Rentierhaltungsareals im Sinne von Paragraf 2 des finnischen Gesetzes Nr. 848/90 vom 14. September 1990 über die Rentierhaltung)”.

4 Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie sieht vor:

„Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Artikel 12, 13 und 14 sowie des Artikels 15 Buchstaben a) und b) im folgenden Sinne abweichen:

  1. zum Schutz der wildlebenden Tiere und Pflanzen und zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume;
  2. zur Verhütung ernster Schäden insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung sowie an Wäldern, Fischgründen und Gewässern sowie an sonstigen Formen von Eigentum;
  3. im Interesse der Volksgesundheit und der öffentlichen Sicherheit oder aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses, einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art oder positiver Folgen für die Umwelt;

…”

5 Der Erhaltungszustand von Arten wird in Art. 1 Buchst. i der Habitatrichtlinie definiert:

„i) ‚Erhaltungszustand einer Art’: die Gesamtheit der Einflüsse, die sich langfristig auf die Verbreitung und die Größe der Populationen der betreffenden Arten in dem in Artikel 2 bezeichneten Gebiet auswirken können.

Der Erhaltungszustand wird als ‚günstig’ betrachtet, wenn

  • aufgrund der Daten über die Populationsdynamik der Art anzunehmen ist, dass diese Art ein lebensfähiges Element des natürlichen Lebensraumes, dem sie angehört, bildet und langfristig weiterhin bilden wird, und
  • das natürliche Verbreitungsgebiet dieser Art weder abnimmt noch in absehbarer Zeit vermutlich abnehmen wird und
  • ein genügend großer Lebensraum vorhanden ist und wahrscheinlich weiterhin ...

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