Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Artikel 4 und 11 der Richtlinie 94/45/EG. Europäischer Betriebsrat. Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen. Unternehmensgruppe, deren zentrale Leitung sich nicht in einem Mitgliedstaat befindet

 

Beteiligte

Kühne & Nagel

Gesamtbetriebsrat der Kühne & Nagel AG & Co. KG

Kühne & Nagel AG & Co. KG

 

Tenor

1. Die Artikel 4 Absatz 1 und 11 Absatz 1 der Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen sind wie folgt auszulegen:

  • Befindet sich in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die zentrale Leitung einer gemeinschaftsweiten Unternehmensgruppe nicht in einem Mitgliedstaat, so ist an ihrer statt die fingierte zentrale Leitung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie dafür verantwortlich, dass den Arbeitnehmervertretern die Auskünfte erteilt werden, die zur Aufnahme der Verhandlungen zur Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats unerlässlich sind.
  • Stellt die zentrale Leitung im Hinblick auf die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats der fingierten zentralen Leitung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie bestimmte Informationen nicht zur Verfügung, so ist Letztere, um ihre Pflicht zur Unterrichtung der Arbeitnehmervertreter erfüllen zu können, gehalten, von den anderen in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen der Gruppe die Auskünfte zu verlangen, die zur Aufnahme der Verhandlungen zur Einrichtung eines solchen Organs unerlässlich sind, und hat einen Anspruch darauf, diese Auskünfte von ihnen zu erhalten.
  • Die Leitungen der anderen in der Gemeinschaft ansässigen Unternehmen der Gruppe sind verpflichtet, der fingierten zentralen Leitung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie die betreffenden Informationen zur Verfügung zu stellen, soweit sie über sie verfügen oder sie sich beschaffen können.
  • Die betroffenen Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die genannten Leitungen diese Informationen der fingierten zentralen Leitung im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 2 der Richtlinie zur Verfügung stellen.

2. Die Auskunftspflicht aus den Artikeln 4 Absatz 1 und 11 Absatz 1 der Richtlinie 94/45 erstreckt sich auf die durchschnittliche Gesamtzahl der Arbeitnehmer, deren Verteilung auf die verschiedenen Mitgliedstaaten, die Betriebe des Unternehmens und die Unternehmen der Gruppe sowie die Struktur des Unternehmens und der Unternehmen der Gruppe wie auch auf die Bezeichnungen und Anschriften der Arbeitnehmervertretungen, die gegebenenfalls an der Bildung eines besonderen Verhandlungsgremiums nach Artikel 5 der Richtlinie oder an der Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats zu beteiligen sind, sofern diese Angaben zur Aufnahme der Verhandlungen zur Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats unerlässlich sind.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-440/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG-Vertrag vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Gesamtbetriebsrat der Kühne & Nagel AG & Co. KG

gegen

Kühne & Nagel AG & Co. KG

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 4 und 11 der Richtlinie 94/45/EG des Rates vom 22. September 1994 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. L 254, S. 64)

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann und J. N. Cunha Rodrigues, der Richter A. La Pergola, J.-P. Puissochet und R. Schintgen, der Richterinnen F. Macken (Berichterstatterin) und N. Colneric sowie des Richters S. von Bahr,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • des Gesamtbetriebsrats der Kühne & Nagel AG & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwältin C. Greiner-Mai,
  • der Kühne & Nagel AG & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwalt H. Stange,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und B. Muttelsee-Schön als Bevollmächtigte,
  • der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Sack als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Gesamtbetriebsrats der Kühne & Nagel AG & Co. KG, der Kühne & Nagel AG & Co. KG und der Kommission in der Sitzung vom 15. Januar 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2002,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1.

Das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27. Juni 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 29. November 2000, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 4 und 11 de...

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