Entscheidungsstichwort (Thema)

Freier Dienstleistungsverkehr für Ärzte. Dienstleister, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begibt, um die Dienstleistung zu erbringen. Anwendbarkeit der standesrechtlichen Regeln des Aufnahmemitgliedstaats, insbesondere der Regeln über Honorare und Werbung

 

Beteiligte

Konstantinides

Kostas Konstantinides

 

Tenor

1. Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen ist dahin auszulegen, dass nationale Regeln, wie sie zum einen in § 12 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen enthalten sind, wonach Honorarforderungen angemessen sein müssen und, soweit nicht andere gesetzliche Vergütungsregelungen gelten, auf der Grundlage der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte zu bemessen sind, und zum anderen in § 27 Abs. 3 der Berufsordnung, der den Ärzten berufswidrige Werbung untersagt, nicht in seinen sachlichen Anwendungsbereich fallen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der Hinweise des Gerichtshofs der Europäischen Union zu prüfen, ob diese Regeln eine Beschränkung im Sinne von Art. 56 AEUV darstellen und – wenn ja – ob mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt wird, ob sie geeignet sind, dessen Erreichung zu gewährleisten, und ob sie nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich ist.

2. Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2005/36 ist dahin auszulegen, dass er weder die Berufsregeln noch die Disziplinarverfahren vorschreibt, denen ein Dienstleister unterworfen werden kann, der sich zur vorübergehenden und gelegentlichen Ausübung seines Berufs in den Aufnahmemitgliedstaat begibt, sondern nur vorsieht, dass die Mitgliedstaaten, um die Anwendung der Disziplinarbestimmungen gemäß Art. 5 Abs. 3 dieser Richtlinie zu erleichtern, entweder eine automatische vorübergehende Eintragung oder eine Pro-forma-Mitgliedschaft bei einer Berufsorganisation vorsehen können.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Berufsgericht für Heilberufe bei dem Verwaltungsgericht Gießen (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. August 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 19. September 2011, in dem Verfahren gegen

Kostas Konstantinides

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters L. Bay Larsen (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Richters J.-C. Bonichot, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Konstantinides, vertreten durch Rechtsanwalt G. Fiedler,
  • der Landesärztekammer Hessen, vertreten durch R. Raasch,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und D. Hadroušek als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch S. Martínez-Lage Sobredo als Bevollmächtigten,
  • der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und N. Rouam als Bevollmächtigte,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch B. Koopman und C. Wissels als Bevollmächtigte,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von N. Sancho Lampreia, advogado,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Støvlbæk und K.-P. Wojcik als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Januar 2013

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 3 und Art. 6 Buchst. a der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht in einem berufsgerichtlichen Verfahren, das auf Antrag der Landesärztekammer Hessen gegen Herrn Konstantinides wegen Berufsvergehen eingeleitet worden ist.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Die Erwägungsgründe 3, 8 und 11 der Richtlinie 2005/36 lauten:

„(3) Diese Richtlinie gibt Personen, die ihre Berufsqualifikationen in einem Mitgliedstaat erworben haben, Garantien hinsichtlich des Zugangs zu demselben Beruf und seiner Ausübung in einem anderen Mitgliedstaat unter denselben Voraussetzungen wie Inländern; sie schließt jedoch nicht aus, dass der Migrant nicht diskriminierende Ausübungsvoraussetzungen, die dieser Mitgliedstaat vorschreibt, erfüllen muss, soweit diese objektiv gerechtfertigt und verhältnismäßig sind.

(8) Für den Dienstleister sollten Disziplinarvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats gelten, die unmittelbar und konkret mit den Berufsqualifikationen verbunden sind, wie die Definition des Berufes, der Umfang der zu einem Beruf gehörenden oder diesem vorbehaltenen Tätigkeiten, das Führen von Titeln und schwerwiegende berufliche Fehler in unmittelbare...

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