Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsatz des gleichen Entgelts für männliche und weibliche Arbeitnehmer. Protokoll Nr. 2 im Anhang zum Vertrag über die Europäische Union. Berufliche Systeme der sozialen Sicherheit. Ausschluß der Teilzeitbeschäftigten von einer Regelung, die einen Anspruch auf bestimmte Zusatzleistungen zur Altersversorgung verleiht. Beginn des Zeitraums für die Berechnung dieser Leistungen. Nationale Verfahrensfristen

 

Normenkette

EGV Art. 119

 

Beteiligte

Magorrian

Mary Teresa Magorrian

Irene Patricia Cunningham

Department of Health and Social Services

Eastern Health and Social Services Board

 

Tenor

1.

Die Dienstzeit teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, die aufgrund ihres Geschlechts mittelbar diskriminiert worden sind, ist ab dem 8. April 1976 – dem Tag des Erlasses des Urteils Defrenne – für die Berechnung der ihnen zustehenden Zusatzleistungen zu berücksichtigen.

2.

Das Gemeinschaftsrecht verbietet es, auf eine auf Artikel 119 EG-Vertrag gestützte Klage auf Anerkennung des Anspruchs der Antragsteller auf Beitritt zu einem beruflichen Altersversorgungssystem eine nationale Vorschrift anzuwenden, nach der der Anspruch im Fall des Obsiegens nur für einen Zeitraum von zwei Jahren vor Klageerhebung zuerkannt werden kann.

 

Gründe

1.

Das Office of the Industrial Tribunals and the Fair Employment Tribunal (Belfast) hat mit Beschluß vom 9. Juli 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Juli 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung des Artikels 119 EG-Vertrag sowie des dem Vertrag über die Europäische Union beigefügten Protokolls Nr. 2 zu dieser Vorschrift zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Magorrian und Frau Cunningham (Klägerinnen) und dem Eastern Health and Social Services Board sowie dem Department of Health and Social Services wegen bestimmter Zusatzleistungen im Rahmen eines Altersversorgungssystems, das an die Stelle des gesetzlichen Systems getreten ist.

Die nationalen Vorschriften

3.

Nach Section 2(4) des Equal Pay Act (Northern Ireland) 1970 (Gesetz über gleiches Entgelt [Nordirland]; im folgenden: EPA) müssen gleiches Entgelt betreffende Klagen binnen sechs Monaten nach dem Ende der Beschäftigungszeit erhoben werden. In Section 2(5) EPA heißt es, daß Frauen mit Klagen wegen Verstoßes gegen eine Vorschrift über gleiches Entgelt für Zeiträume, die mehr als zwei Jahre vor der Klageerhebung liegen, keinen Anspruch auf Gehaltsnachzahlungen oder Schadensersatz geltend machen können.

4.

Nach Section 56 der Social Security Pensions (Northern Ireland) Order 1975 (Verordnung über Sozialrenten [Nordirland]) müssen bei einem Rentensystem für den öffentlichen Dienst der Minister, die Regierungsstelle sowie jede andere mit dessen Verwaltung befaßte natürliche oder juristische Person alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die Regelung mit dem Erfordernis des gleichen Zugangs in Übereinstimmung zu bringen.

5.

Section 12 der Occupational Pension Schemes (Equal Access to Membership) Regulations (Northern Ireland) 1976 Nr. 238 (Verordnung über die Betriebsrentenkassen [gleiche Beitrittsbedingungen] [Nordirland]; im folgenden: Occupational Pension Regulations), die den EPA ändert, bestimmt, daß in Verfahren betreffend den Zugang zu beruflichen Altersversorgungssystemen ein Beitrittsrecht nur mit Wirkung ab einem Zeitpunkt zuerkannt wird, der nicht länger als zwei Jahre vor Klageerhebung liegt.

6.

Die Rule 3 der Health and Personal Social Services (Superannuation) Regulations (Northern Ireland) 1984 (Verordnungen über die Gesundheits- und Sozialdienste [Rentenkasse] [Nordirland]; im folgenden: Superannuation Regulations) definiert einen Mental Health Officer (MHO, Krankenpfleger/-schwester in der Psychiatrie) als einen Vollzeitmitarbeiter des ärztlichen oder des pflegerischen Personals eines ganz oder teilweise der Behandlung von Geisteskranken dienenden Krankenhauses, dessen gesamte oder nahezu gesamte Arbeitszeit der Pflege Geisteskranker gewidmet ist.

7.

Hat eine mindestens 50 Jahre alte Person 20 Jahre lang als MHO gearbeitet und arbeitet sie weiterhin in dieser Eigenschaft, so wird nach Section 50(2) der Superannuation Regulations ihre weitere Dienstzeit für die Zwecke der Altersversorgung doppelt berechnet, und sie hat mit 55 Jahren statt im normalen Rentenalter von 60 Jahren einen Rentenanspruch.

Das Ausgangsverfahren

8.

Die Klägerinnen waren als ausgebildete Krankenschwestern auf dem Gebiet der psychischen Gesundheit bei einem zum öffentlichen Sektor gehörenden Gesundheitsdienst beschäftigt, der für die Erbringung medizinischer und anderer Dienstleistungen in einem Gebiet Nordirlands verantwortlich ist.

9.

Sie begannen ihre Laufbahn als Vollzeitbedienstete mit der dienstrechtlichen Stellung eines MHO. Als ihre familiären Pflichten zunahmen, arbeiteten beide als Teilzeitbeschäftigte und verloren dadurch diese dienstrechtliche Stellung. Gleichwohl wurden beide zu Stationsleiterinnen ernannt und hatten folglich Vollzeitkrankenpfleger zu...

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