Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado de lo Social Nr. 33 de Madrid. Richtlinie 2000/78/EG. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Begriff der Behinderung. Vorabentscheidungsverfahren. Zuständigkeit des Gerichtshofes. Grenzen. Sozialpolitik. Richtlinie 2000/78

 

Leitsatz (amtlich)

1. In einem Verfahren nach Artikel 234 EG, der auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, fällt die Beurteilung des Sachverhalts in die Zuständigkeit des vorlegenden Gerichts. Ebenso hat nur das nationale Gericht, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung die Verantwortung trägt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Gemeinschaftsrechts betreffen.

In Ausnahmefällen obliegt es jedoch dem Gerichtshof, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem innerstaatlichen Gericht angerufen wird. Er kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

(vgl. Randnrn. 32-33)

2. Eine Person, der von ihrem Arbeitgeber ausschließlich wegen Krankheit gekündigt worden ist, wird nicht von dem durch die Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen einer Behinderung geschaffenen allgemeinen Rahmen erfasst.

Auch wenn der Begriff „Behinderung” im Sinne der Richtlinie 2000/78 so zu verstehen ist, dass er eine Einschränkung erfasst, die insbesondere auf physische, geistige oder psychische Beeinträchtigungen zurückzuführen ist und die ein Hindernis für die Teilhabe des Betreffenden am Berufsleben bildet, lassen sich die Begriffe „Behinderung” und „Krankheit” nämlich nicht schlicht und einfach einander gleichsetzen. Mit der Verwendung des Begriffes „Behinderung” in Artikel 1 dieser Richtlinie hat der Gesetzgeber jedoch bewusst ein Wort gewählt, das sich von dem der „Krankheit” unterscheidet. Außerdem zeigt die Bedeutung, die der Gemeinschaftsgesetzgeber Maßnahmen zur Einrichtung des Arbeitsplatzes nach Maßgabe der Behinderung beigemessen hat, dass er an Fälle gedacht hat, in denen die Teilhabe am Berufsleben über einen langen Zeitraum eingeschränkt ist. Damit die Einschränkung unter den Begriff „Behinderung” fällt, muss daher wahrscheinlich sein, dass sie von langer Dauer ist.

Jedenfalls enthält die Richtlinie 2000/78 keinen Hinweis darauf, dass Arbeitnehmer aufgrund des Verbotes der Diskriminierung wegen einer Behinderung in den Schutzbereich der Richtlinie fallen, sobald sich irgendeine Krankheit manifestiert.

(vgl. Randnrn. 43-47, Tenor 1)

3. Das Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung bei Entlassungen nach den Artikeln 2 Absatz 1 und 3 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf steht der Entlassung wegen einer Behinderung entgegen, die unter Berücksichtigung der Verpflichtung, angemessene Vorkehrungen für Menschen mit Behinderung zu treffen, nicht dadurch gerechtfertigt ist, dass die betreffende Person für die Erfüllung der wesentlichen Funktionen ihres Arbeitsplatzes nicht kompetent, fähig oder verfügbar ist.

(vgl. Randnr. 51, Tenor 2)

4. Krankheit als solche kann nicht als ein weiterer Grund neben denen angesehen werden, derentwegen Personen zu diskriminieren nach der Richtlinie 2000/78 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verboten ist.

Der Vertrag enthält keine Bestimmung, die die Diskriminierung wegen einer Krankheit als solcher verbietet. Das allgemeine Diskriminierungsverbot ist für die Mitgliedstaaten verbindlich, wenn die im Ausgangsverfahren in Rede stehende innerstaatliche Situation in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fällt. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 in entsprechender Anwendung über die Diskriminierungen wegen der in Artikel 1 dieser Richtlinie abschließend aufgezählten Gründe hinaus ausgedehnt werden darf.

 

Normenkette

EG Art. 234; Richtlinie 2000/78 des Rates Art. 1, 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c

 

Beteiligte

Chacón Navas

Sonia Chacón Navas

Eurest Colectividades SA

 

Tenor

1. Eine Person, der von ihrem Arbeitge...

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