Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Recht der Europäischen Union. Allgemeine Grundsätze. Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit. Anwendbarkeit des Unionsrechts. Fehlerhafte Brustimplantate. Haftpflichtversicherung für die Herstellung von Medizinprodukten. Versicherungsvertrag, der eine geografische Beschränkung des Versicherungsschutzes enthält

 

Normenkette

AEUV Art. 18

 

Beteiligte

TÜV Rheinland LGA Products und Allianz IARD

RB

TÜV Rheinland LGA Products GmbH

Allianz IARD SA

 

Tenor

Art. 18 Abs. 1 AEUV ist dahin auszulegen, dass er keine Anwendung auf eine in einem Vertrag zwischen einem Versicherungsunternehmen und einem Hersteller von Medizinprodukten enthaltene Klausel findet, die die geografische Reichweite der Deckung der Haftpflichtversicherung für diese Produkte auf Schäden beschränkt, die im Gebiet eines einzigen Mitgliedstaats eintreten, da ein solcher Sachverhalt nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht in dessen Anwendungsbereich fällt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 11. September 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 19. September 2018, in dem Verfahren

RB

gegen

TÜV Rheinland LGA Products GmbH,

Allianz IARD SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, M. Safjan und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi (Berichterstatterin), der Richter L. Bay Larsen und T. von Danwitz, der Richterin C. Toader, des Richters F. Biltgen, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos und N. Piçarra,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: M. Krausenböck, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Allianz IARD SA, vertreten durch die Rechtsanwälte R.-T. Wittmann, F. Witzke und D. Strotkemper sowie durch J.-M. Coste-Floret und B. Esquelisse, avocats,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. Wolff und P. Z. L. Ngo als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch R. Coesme und A. Daly als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch J. Heliskoski und S. Hartikainen als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch F. Erlbacher, L. Malferrari und A. C. Becker als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Februar 2020

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der deutschen Staatsangehörigen RB auf der einen Seite und der TÜV Rheinland LGA Products GmbH (im Folgenden: TÜV Rheinland) sowie der Versicherungsgesellschaft Allianz IARD SA (im Folgenden: Allianz), der Rechtsnachfolgerin der AGF IARD SA, auf der anderen Seite. Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Klage auf Ersatz der Schäden, die der Klägerin durch das Einsetzen fehlerhafter Brustimplantate entstanden sind.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

In den Erwägungsgründen 2 und 18 und der Richtlinie 85/374/EWG des Rates vom 25. Juli 1985 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Haftung für fehlerhafte Produkte (ABl. 1985, L 210, S. 29) heißt es:

„Nur bei einer verschuldensunabhängigen Haftung des Herstellers kann das unserem Zeitalter fortschreitender Technisierung eigene Problem einer gerechten Zuweisung der mit der modernen technischen Produktion verbundenen Risiken in sachgerechter Weise gelöst werden.

Mit dieser Richtlinie lässt sich vorerst keine vollständige Harmonisierung erreichen, sie öffnet jedoch den Weg für eine umfassendere Harmonisierung. …”

Rz. 4

Art. 1 der Richtlinie 85/374 bestimmt:

„Der Hersteller eines Produkts haftet für den Schaden, der durch einen Fehler dieses Produkts verursacht worden ist.”

Rz. 5

In den Erwägungsgründen 3, 6 und 12 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. 1993, L 169, S. 1) heißt es:

„Die einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Patienten, der Anwender und gegebenenfalls Dritter im Hinblick auf die Anwendung der Medizinprodukte dienen, bedürfen der Harmonisierung, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten.

Bestimmte Medizinprodukte sind dafür ausgelegt, Arzneimittel … abzugeben. In diesen Fällen wird das Inverkehrbringen des Medizinprodukts in der Regel durch die vorliegende Richtlinie geregelt …

Zum Nachweis der Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen und zur Ermöglichung der Kontrolle dieser Übereinstimmung sind auf europäischer Ebene harmonisierte Normen zur Verhütung von Risiken im Zusammenhang mit der Auslegung, Herstellung...

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