Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 49 EG. Freier Dienstleistungsverkehr. Patentanwälte. Pflicht zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung. Pflicht zur Bestellung eines Zustellungsbevollmächtigten im Mitgliedstaat der Dienstleistungserbringung

 

Beteiligte

Kommission / Österreich

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Republik Österreich

 

Tenor

1. Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen, indem sie die in einem anderen Mitgliedstaat regulär niedergelassenen Patentanwälte, die vorübergehend in Österreich Dienstleistungen erbringen möchten, verpflichtet, einen in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 21. Dezember 2007,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und H. Krämer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl und G. Kunnert als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter A. Ó Caoimh, J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter), J. Klučka und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2009,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Nach der Rücknahme einiger Punkte ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 49 EG verstoßen hat, indem sie

  • jegliche Dienstleistungserbringung durch in einem anderen Mitgliedstaat regulär niedergelassene Patentanwälte, die vorübergehend in Österreich Dienstleistungen erbringen möchten, vom vorherigen Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung abhängig macht und
  • die in einem anderen Mitgliedstaat regulär niedergelassenen Patentanwälte, die vorübergehend in Österreich Dienstleistungen erbringen möchten, verpflichtet, einen in Österreich wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

Rz. 2

Art. 23 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36) sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten können sicherstellen, dass die Dienstleistungserbringer, deren Dienstleistungen ein unmittelbares und besonderes Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit des Dienstleistungsempfängers oder eines Dritten oder für die finanzielle Sicherheit des Dienstleistungsempfängers darstellen, eine der Art und dem Umfang des Risikos angemessene Berufshaftpflichtversicherung abschließen oder eine aufgrund ihrer Zweckbestimmung im Wesentlichen vergleichbare Sicherheit oder gleichwertige Vorkehrung vorsehen.”

Rz. 3

Gemäß ihrem Art. 45 trat die Richtlinie am 28. Dezember 2006 in Kraft. Nach Art. 44 der Richtlinie muss diese von den Mitgliedstaaten spätestens zum 28. Dezember 2009 umgesetzt werden.

Rz. 4

Art. 14 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (ABl. L 160, S. 37) bestimmt in Bezug auf gerichtliche Schriftstücke:

„Jedem Mitgliedstaat steht es frei, Personen, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch die Post zustellen zu lassen.”

Rz. 5

In Bezug auf außergerichtliche Schriftstücke sieht Art. 16 dieser Verordnung vor:

„Außergerichtliche Schriftstücke können zum Zweck der Zustellung in einem anderen Mitgliedstaat nach Maßgabe dieser Verordnung übermittelt werden.”

Rz. 6

Diese Vorschriften wurden am 13. November 2008 durch die im Wesentlichen gleichen Bestimmungen der Art. 14 und 16 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken”) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates (ABl. L 324, S. 79) ersetzt.

Nationales Recht

Rz. 7

§ 1c Patentanwaltsgesetz (BGBl. 1967/214, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 10. August 2001, BGBl. I 2001/107, im Folgenden: PatentanwaltsG) sieht vor:

„Staatsangehörige eines [Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, im Folgenden: EWR], die in einem solchen Staat ansässig sind und die im Art. 3 der Richtlinie 89/48/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome, die eine mindestens dreijährige Berufsausbildung abschließen, … an...

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