Entscheidungsstichwort (Thema)

Niederlassungsfreiheit. Freier Dienstleistungsverkehr. Konzession für Dienstleistungen der Abrechnung, Festsetzung und Beitreibung von Steuern und anderen Einnahmen der lokalen Gebietskörperschaften. Nationale Rechtsvorschriften. Mindestgesellschaftskapital. Verpflichtung

 

Normenkette

EG Art. 3, 10, 43, 49, 81; Richtlinie 2006/123/EG

 

Beteiligte

Duomo Gpa Srl

Gestione Servizi Pubblici Srl

Irtel Srl

Comune di Baranzate

Comune di Venegono Inferiore

 

Tenor

Die Art. 43 EG und 49 EG sind dahin auszulegen, dass sie einer Bestimmung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, wonach

  • Wirtschaftsteilnehmer – mit Ausnahme von Gesellschaften mit überwiegend öffentlicher Beteiligung – gegebenenfalls den Mindestbetrag des vollständig eingezahlten Kapitals auf 10 Mio. Euro aufstocken müssen, um zur Abrechnung, Festsetzung und Beitreibung der Abgaben und sonstigen Einnahmen lokaler Gebietskörperschaften berechtigt zu sein,
  • die Vergabe solcher Dienstleistungen an Wirtschaftsteilnehmer, die diese Anforderung an das Mindestgesellschaftskapital nicht erfüllen, nichtig ist und
  • die Annahme neuer Aufträge oder die Teilnahme an Ausschreibungen über die Vergabe dieser Dienstleistungen bis zur Erfüllung der Verpflichtung zur Aufstockung des Gesellschaftskapitals verboten ist.
 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Italien) mit Entscheidungen vom 20. Oktober 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juli 2010, in den Verfahren

Duomo Gpa Srl (C-357/10),

Gestione Servizi Pubblici Srl (C-358/10),

Irtel Srl (C-359/10)

gegen

Comune di Baranzate (C-357/10 und C-358/10),

Comune di Venegono Inferiore (C-359/10),

Beteiligte:

Agenzia Italiana per le Pubbliche Amministrazioni SpA (AIPA),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Comune di Baranzate, vertreten durch A. Soncini, avvocato,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. De Bellis, avvocato dello Stato,
  • der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Zadra, I. V. Rogalski und S. La Pergola als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. November 2011

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 3 EG, 10 EG, 43 EG, 49 EG und 81 EG sowie der Art. 15 und 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36, im Folgenden: Dienstleistungsrichtlinie).

Rz. 2

Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten, in denen die Duomo Gpa Srl (im Folgenden: Duomo) und die Gestione Servizi Pubblici Srl (im Folgenden: GSP) gegen die Comune di Baranzate und die Irtel Srl (im Folgenden: Irtel) gegen die Comune di Venegono Inferiore Klage wegen ihres Ausschlusses von Ausschreibungsverfahren erheben und in denen die Agenzia Italiana per le Pubbliche Amministrazioni SpA (AIPA) am Verfahren beteiligt ist.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Nach Art. 1 Abs. 1 der Dienstleistungsrichtlinie enthält diese Richtlinie allgemeine Bestimmungen, die bei gleichzeitiger Gewährleistung einer hohen Qualität der Dienstleistungen die Wahrnehmung der Niederlassungsfreiheit durch Dienstleistungserbringer sowie den freien Dienstleistungsverkehr erleichtern sollen.

Rz. 4

Nach Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie setzen die Mitgliedstaaten deren Bestimmungen in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit und den freien Dienstleistungsverkehr um.

Rz. 5

Art. 15 der Richtlinie gehört zu deren Kapitel III („Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer”).

Rz. 6

Art. 16 dieser Richtlinie gehört zu deren Kapitel IV („Freier Dienstleistungsverkehr”).

Rz. 7

Gemäß den Art. 44 und 45 der Dienstleistungsrichtlinie ist diese am 28. Dezember 2006 in Kraft getreten und musste von den Mitgliedstaaten bis spätestens 28. Dezember 2009 umgesetzt werden.

Nationales Recht

Rz. 8

Titel III des Decreto legislativo Nr. 446 zur Einführung der regionalen Steuer auf Produktionstätigkeiten, zur Änderung der Stufen, Sätze und Abzüge der Einkommensteuer für natürliche Personen (Irpef) und zur Einführung einer zusätzlichen regionalen Steuer zu dieser Steuer sowie zur Neuordnung der Regelung über die lokale Besteuerung (Decreto legislativo n° 446 – Istituzione dell'imposta regionale sulle attività produttive, revisione degli scaglioni, delle aliquote e delle detrazioni dell'Irpef e istituzione di una addizionale regionale a tale imposta...

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