Entscheidungsstichwort (Thema)

Verbraucherschutz. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge. Richtlinie 85/577/EWG. Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1. Langfristiger Darlehensvertrag. Widerrufsrecht

 

Beteiligte

Hamilton

Annelore Hamilton

Volksbank Filder eG

 

Tenor

Die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen ist dahin auszulegen, dass der nationale Gesetzgeber für den Fall einer fehlerhaften Belehrung des Verbrauchers über die Modalitäten der Ausübung des mit Art. 5 Abs. 1 dieser Richtlinie eingeführten Widerrufsrechts vorsehen kann, dass dieses Recht nicht später als einen Monat nach vollständiger Erbringung der Leistungen aus einem langfristigen Darlehensvertrag durch die Vertragsparteien ausgeübt werden kann.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Oberlandesgericht Stuttgart (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. Oktober 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Oktober 2006, in dem Verfahren

Annelore Hamilton

gegen

Volksbank Filder eG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilešič (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. September 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von A. Hamilton, vertreten durch Rechtsanwalt K.-O. Knops,
  • der Volksbank Filder eG, vertreten durch die Rechtsanwälte M. Siegmann und J. Höger,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und A. Günther als Bevollmächtigte,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch E. Ośniecka-Tamecka als Bevollmächtigte,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. November 2007

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (ABl. L 372, S. 31, im Folgenden: Richtlinie über Haustürgeschäfte).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Annelore Hamilton und der Volksbank Filder eG (im Folgenden: Volksbank) über einen Antrag auf Rückabwicklung eines Darlehensvertrags sowie Rückerstattung gezahlter Zinsen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie über Haustürgeschäfte lautet:

„Verträge, die außerhalb der Geschäftsräume eines Gewerbetreibenden abgeschlossen werden, sind dadurch gekennzeichnet, dass die Initiative zu den Vertragsverhandlungen in der Regel vom Gewerbetreibenden ausgeht und der Verbraucher auf die Vertragsverhandlungen nicht vorbereitet ist. Letzterer hat häufig keine Möglichkeit, Qualität und Preis des Angebots mit anderen Angeboten zu vergleichen. Dieses Überraschungsmoment gibt es nicht nur bei Haustürgeschäften, sondern auch bei anderen Verträgen, die auf Initiative des Gewerbetreibenden außerhalb seiner Geschäftsräume abgeschlossen werden.”

4 Im fünften Erwägungsgrund dieser Richtlinie heißt es:

„Um dem Verbraucher die Möglichkeit zu geben, die Verpflichtungen aus dem Vertrag noch einmal zu überdenken, sollte ihm das Recht eingeräumt werden, innerhalb von mindestens sieben Tagen vom Vertrag zurückzutreten.”

5 Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für Verträge, die zwischen einem Gewerbetreibenden, der Waren liefert oder Dienstleistungen erbringt, und einem Verbraucher geschlossen werden:

  • anlässlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden

    i) beim Verbraucher in seiner … Wohnung …

    sofern der Besuch nicht auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers erfolgt.”

6 Art. 4 der Richtlinie lautet:

„Der Gewerbetreibende hat den Verbraucher bei Geschäften im Sinne des Artikels 1 schriftlich über sein Widerrufsrecht innerhalb der in Artikel 5 festgelegten Fristen zu belehren und dabei den Namen und die Anschrift einer Person anzugeben, der gegenüber das Widerrufsrecht ausgeübt werden kann.

Diese Belehrung ist zu datieren und hat Angaben zu enthalten, die eine Identifizierung des Vertrages ermöglichen. Sie ist dem Verbraucher auszuhändigen

  1. im Fall von Artikel 1 Absatz 1 zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses;

Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften geeignete Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers vorsehen, wenn die in diesem Artikel vorgesehene Belehrung nicht erfolgt.”

7 Art. 5 der Richtlinie über Haustürgeschäfte sieht vor:

„(1) Der Verbraucher besitzt das Recht, von der eingegangenen Verpflichtung zurückzutreten, indem er dies innerhalb von mindestens sieben Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem ihm die in Artikel 4 genannte Belehrung erteilt wurde, entsprechend dem Verfahren und unter Beachtung der Bed...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge