Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Verstärkter Schutz bei Entlassung von Arbeitnehmern mit Behinderungen. Fehlen eines solchen Schutzes für Beamte mit Behinderungen. Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Normenkette

Richtlinie 2000/78/EG Art. 7

 

Beteiligte

Milkova

Petya Milkova

Izpalnitelen direktor na Agentsiata za privatizatsia i sledprivatizatsionen kontrol

 

Tenor

1. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist im Licht des mit dem Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigten Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und in Verbindung mit dem in den Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat erlaubt, mit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen Arbeitnehmern mit bestimmten Behinderungen einen spezifischen vorherigen Schutz bei Entlassung zu gewähren, ohne einen solchen Schutz auch Beamten mit den gleichen Behinderungen zuzubilligen, es sei denn, dass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz erwiesen ist, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist. Bei dieser Prüfung muss der Vergleich der Situationen auf einer Prüfung aller maßgeblichen nationalen Rechtsvorschriften zur Regelung der Stellung einerseits der Arbeitnehmer mit einer bestimmten Behinderung und andererseits der Beamten mit der gleichen Behinderung beruhen, wobei insbesondere das Ziel des Schutzes vor der im Ausgangsverfahren streitigen Entlassung zu berücksichtigen ist.

2. Falls Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 im Licht des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen sollte, würde die Pflicht zur Einhaltung des Unionsrechts erfordern, dass der Anwendungsbereich der nationalen Vorschriften, die Arbeitnehmer mit einer bestimmten Behinderung schützen, so ausgeweitet wird, dass diese Schutzvorschriften auch Beamten mit der gleichen Behinderung zugutekommen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) mit Entscheidung vom 16. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Juli 2015, in dem Verfahren

Petya Milkova

gegen

Izpalnitelen direktor na Agentsiata za privatizatsia i sledprivatizatsionen kontrol,

Beteiligte:

Varhovna administrativna prokuratura,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal (Berichterstatterin), des Richters A. Rosas, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der bulgarischen Regierung, vertreten durch D. Drambozova und E. Petranova als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und D. Roussanov als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Oktober 2016

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 4 und 7 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) sowie von Art. 5 Abs. 2 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im Folgenden: VN-Übereinkommen), das mit dem Beschluss 2010/48/EG des Rates vom 26. November 2009 (ABl. 2010, L 23, S. 35) im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt wurde.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau Petya Milkova und dem Izpalnitelen direktor na Agentsiata za privatizatsia i sledprivatizatsionen kontrol (geschäftsführender Direktor der Agentur für Privatisierung und Kontrolle nach der Privatisierung, Bulgarien) (im Folgenden: Agentur) über die Entlassung von Frau Milkova.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Rz. 3

Art. 1 des VN-Übereinkommens lautet:

„Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.

Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechsel...

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