Entscheidungsstichwort (Thema)

Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Regelung des Zugangs zum juristischen Vorbereitungsdienst im Land Hessen. Vorrang von Bewerbern, die eine Wehr- oder Ersatzdienstpflicht erfüllt haben

 

Beteiligte

Schnorbus

Julia Schnorbus

Land Hessen

 

Tenor

1. Nationale Vorschriften, die den Zeitpunkt der Aufnahme in einen juristischen Vorbereitungsdienst, der eine notwendige Voraussetzung für den Zugang zu einer Beschäftigung im Beamtenverhältnis ist, regeln, unterliegen der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen.

2. Nationale Vorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bewirken keine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

3. Nationale Vorschriften wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden bewirken eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

4. Die Richtlinie 76/207 steht nationalen Vorschriften wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegen, soweit sie durch sachliche Gründe gerechtfertigt sind und allein zum Ausgleich der Verzögerung beitragen sollen, die sich aus der Erfüllung einer Wehr- oder Ersatzdienstpflicht ergibt.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-79/99

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Julia Schnorbus

gegen

Land Hessen

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40),

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Gulmann sowie der Richter V. Skouris, J.-P. Puissochet (Berichterstatter) und R. Schintgen und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: R. Grass

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

  • des Landes Hessen, vertreten durch R. P. Eckert, Ministerialrat im Ministerium der Justiz und für Europaangelegenheiten des Landes Hessen, als Bevollmächtigten,
  • der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch C. Schmidt und A. Aresu, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Juli 2000,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

1.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 18. Januar 1999, der beim Gerichtshof am 4. März 1999 eingegangen ist, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) acht Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40, im Folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2.

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Frau Schnorbus und dem Land Hessen wegen Zurückstellung der Aufnahme der Klägerin in den juristischen Vorbereitungsdienst, der der zweiten juristischen Staatsprüfung vorausgeht.

Rechtlicher Rahmen

3.

Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und in Bezug auf die soziale Sicherheit unter den in Absatz 2 vorgesehenen Bedingungen verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im folgenden als ‚Grundsatz der Gleichbehandlung’ bezeichnet.

4.

Die Absätze 1 und 4 des Artikels 2 der Richtlinie bestimmen:

(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, dass keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts – insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand – erfolgen darf.

(4) Diese Richtlinie steht nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen in den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen, entgegen.

5.

Artikel 3 der Richtlinie bestimmt:

(1) Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beinhaltet, dass bei den Bedingungen des Zugangs – einschließlich der Auswahlkriterien – zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen – unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig – und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erfolgt.

(2) ...

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