Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Luftverkehr. Verbot für Inhaber einer Pilotenlizenz, die das Alter von 65 Jahren erreicht haben, als Pilot eines Luftfahrzeugs im gewerblichen Luftverkehr tätig zu sein. Gültigkeit. Berufsfreiheit. Gleichbehandlung. Diskriminierung wegen des Alters. Gewerblicher Luftverkehr. Begriff

 

Normenkette

Verordnung (EU) Nr. 1178/2011; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 15, 21

 

Beteiligte

Fries

Werner Fries

Lufthansa CityLine GmbH

 

Tenor

1. Die Prüfung der ersten und der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Art. 15 Abs. 1 bzw. Art. 21 Abs. 1 der Charta beeinträchtigen könnte.

2. FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung Nr. 1178/2011 ist dahin auszulegen, dass er dem Inhaber einer Pilotenlizenz, der das Alter von 65 Jahren erreicht hat, weder verbietet, als Pilot Leer- oder Überführungsflüge im Gewerbebetrieb eines Luftverkehrsunternehmens durchzuführen, bei denen weder Fluggäste noch Fracht oder Post befördert werden, noch – ohne Mitglied der Flugbesatzung zu sein –, als Ausbilder und/oder Prüfer an Bord eines Luftfahrzeugs tätig zu sein.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesarbeitsgericht (Deutschland), mit Entscheidung vom 27. Januar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 5. April 2016, in dem Verfahren

Werner Fries

gegen

Lufthansa CityLine GmbH

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter E. Regan, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Fries, vertreten durch Rechtsanwalt M. Mensching,
  • der Lufthansa CityLine GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Schalast,
  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin, W. Mölls und F. Wilman als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. März 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Gültigkeit und hilfsweise die Auslegung von FCL.065 Buchst. b des Anhangs I der Verordnung (EU) Nr. 1178/2011 der Kommission vom 3. November 2011 zur Festlegung technischer Vorschriften und von Verwaltungsverfahren in Bezug auf das fliegende Personal in der Zivilluftfahrt gemäß der Verordnung (EG) Nr. 216/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 311, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, den Herr Werner Fries gegen die Lufthansa CityLine GmbH (im Folgenden: Lufthansa), einer in Deutschland niedergelassenen Fluggesellschaft, wegen der Zahlung der auf die Monate November und Dezember des Jahres 2013 entfallenden Vergütung führt, die die Lufthansa Herrn Fries schulden soll.

Rechtlicher Rahmen

Völkerrecht

Abkommen von Chicago

Rz. 3

Das am 7. Dezember 1944 in Chicago unterzeichnete Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (im Folgenden: Abkommen von Chicago) ist von allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert worden; die Europäische Union ist allerdings selbst nicht Vertragspartei dieses Abkommens. Mit dem Abkommen von Chicago ist die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (International Civil Aviation Organization, ICAO) geschaffen worden; deren Aufgabe ist nach Art. 44 dieses Abkommens, die Grundsätze und die Technik der internationalen Luftfahrt zu entwickeln sowie die Planung und Entwicklung des internationalen Luftverkehrs zu fördern.

Rz. 4

In Anhang 1 („Lizenzierung von Luftfahrtpersonal”) des Abkommens von Chicago, der durch den ICAO-Rat verabschiedet wurde, sind die Richtlinien und Empfehlungen zusammengefasst, die die Erteilung von Lizenzen an die Flugbesatzung (Piloten, Flugingenieure und -navigatoren), an Fluglotsen, Funker der Flugfernmeldestelle, Wartungspersonal und Flugdienstberater regeln. Insbesondere erhält dieser Anhang die folgenden Bestimmungen:

„2.1.10.1 Ein Vertragsstaat, der eine Pilotenlizenz vergeben hat, gestattet einem Inhaber dieser Lizenz, die Funktion eines verantwortlichen Piloten eines Flugzeugs, mit dem internationale gewerbliche Flüge durchgeführt werden, bis zum Alter von 60 Jahren wahrzunehmen, oder von 65 Jahren bei Flügen mit mehr als einem Piloten, sofern der andere Pilot weniger als 60 Jahre alt ist.

2.1.10.2 Empfehlung – Es wird empfohlen, dass ein Vertragsstaat, der Pilotenlizenzen erteilt hat, den Lizenzinhabern gestattet, die Funktion des Kopiloten eines Luftfahrzeugs, mit...

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