Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Personenbezogene Daten. Voraussetzungen der Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten. Begriff der Erforderlichkeit zur Verwirklichung des berechtigten Interesses eines Dritten. Antrag auf Übermittlung personenbezogener Daten über den Verursacher eines Verkehrsunfalls zur Verteidigung rechtlicher Ansprüche vor Gericht. Verpflichtung des für die Verarbeitung Verantwortlichen, einem solchen Antrag stattzugeben. Fehlen

 

Normenkette

Richtlinie 95/46/EG Art. 7 Buchst. f

 

Beteiligte

Rīgas satiksme

Valsts policijas Rīgas reǵiona pārvaldes Kārtības policijas pārvalde

Rīgas pašvaldības SIA „Rīgas satiksme”

 

Tenor

Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass er nicht dazu verpflichtet, einem Dritten personenbezogene Daten zu übermitteln, damit er vor einem Zivilgericht Klage auf Ersatz eines durch die betreffende Person verursachten Schadens erheben kann. Jedoch steht er der Übermittlung solcher Daten auf der Grundlage des nationalen Rechts nicht entgegen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Augstakas tiesas Administrativo lietu departaments (Oberster Gerichtshof, Abteilung für Verwaltungsstreitsachen, Lettland), mit Entscheidung vom 30. Dezember 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Januar 2016, in dem Verfahren

Valsts policijas Rīgas reǵiona pārvaldes Kārtības policijas pārvalde

gegen

Rīgas pašvaldības SIA „Rīgas satiksme”

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richterin A. Prechal, des Richters A. Rosas (Berichterstatter), der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. November 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der Rīgas pašvaldības SIA „Rīgas satiksme”, vertreten durch L. Bemhens als Bevollmächtigten,
  • der lettischen Regierung, vertreten durch I. Kalniņš und A. Bogdanova als Bevollmächtigte,
  • der tschechischen Regierung, vertreten durch J. Vláčil und M. Smolek als Bevollmächtigte,
  • der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. García-Valdecasas Dorrego als Bevollmächtigte,
  • der österreichischen Regierung, vertreten durch G. Eberhard als Bevollmächtigten,
  • der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Figueiredo und C. Vieira Guerra als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Nardi, H. Kranenborg und I. Rubene als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Januar 2017

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Buchst. f der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. 1995, L 281, S. 31).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Valsts policijas Rīgas reǵiona pārvaldes Kārtības policijas pārvalde (Amt für Verkehrsordnungswidrigkeiten der Abteilung Ordnungspolizei der Nationalpolizei des Bezirks Riga, Lettland) und der Rīgas pašvaldības SIA „Rīgas satiksme” (im Folgenden: Rīgas satiksme), der Betreiberin der Oberleitungsbusse der Stadt Riga, über einen Antrag auf Übermittlung von Daten zur Identifizierung des Verursachers eines Unfalls.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 „Gegenstand der Richtlinie”) der Richtlinie 95/46 lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten gewährleisten nach den Bestimmungen dieser Richtlinie den Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten und insbesondere den Schutz der Privatsphäre natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten.

(2) Die Mitgliedstaaten beschränken oder untersagen nicht den freien Verkehr personenbezogener Daten zwischen Mitgliedstaaten aus Gründen des gemäß Absatz 1 gewährleisteten Schutzes.”

Rz. 4

Art. 2 der Richtlinie 95/46 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

a) ‚personenbezogene Daten’ alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (‚betroffene Person’); als bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind;

b) ‚Verarbeitung personenbezogener Daten’ (‚Verarbeitung’) jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, die Organisation, die Aufbewahrung, die Anpassung oder Veränderung, das ...

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